ModeratorIn: Liebe Userinnen und User! Wir schicken kühle Grüße aus unserem klimatisierten Büro. Meterologe Thomas Rinderer hat schon Platz genommen. Wir bitten um Fragen!

Thomas Rinderer: Hallo alle miteinader! Ich stehe heute als Meteorologe der Österreichischen Unwetterzentrale (uwz.at) für eure Fragen bereit, ich bin schon gespannt!

Lord Chaos: Hitzerekorde gab es ja bereits in den vergangenen Jahrzehnten, Zb 1983, 1957. Lässt sich aus der Statistik ablesen ob Extremwerte über 35°C häufiger geworden sind?

Thomas Rinderer: Hitzewellen in den Sommermonaten sind tatsächlich nichts außergewöhnliches, allerdings ist festzustellen, dass sich Hitzetage (Tage mit Temperaturmaxima größer als 30 Grad) und somit auch Temperaturen über 35 Grad mehren.

UserInnenfrage per Mail: In meiner Erinnerung war der Sommer 2003 noch schlimmer wie der heurige. Stimmt das?

Thomas Rinderer: Der Sommer 2003 zeichnete sich durch eine sehr lange Hitzeperiode aus, die Extremwerte fielen aber nicht so hoch aus wie heuer.

Rune Rebellion: S.g. Herr Rinderer! Ist das was wir heuer erleben nur ein "Vorgeschmack" auf das was in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf uns zukommt? Stichwort: globale Erwärmung.

Thomas Rinderer: Diverse Klimamodelle deuten darauf hin, dass sich Extremereignisse in Zukunft mehren. Im Zuge des Klimawandels werden wir uns wahrscheinlich an wärmere Sommer gewöhnen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass es auch mal wieder einen kalten, verregneten Sommer geben wird.

fbj: Wie läuft die Erstellung einer Wetterprognose heutzutage ab? Reicht da ein Mausklick am Computer oder ist da noch echte Hand/Kopfarbeit notwendig?

Thomas Rinderer: Zum Glück reicht das noch nicht aus, sonst wäre ich bald arbeitslos ;) Wir bei der Österreichischen Unwetterzentale arbeiten mit sehr vielen unterschiedlichen Wettermodellen und es werden viele Stunden zugebracht, diese genau zu studieren und auszuwerten. Vor allem die Erfahrungswerte eines Meteorologen sind dabei sehr wichtig. Gerade in einem Land wie Österreich, wo sich die Geländebeschaffenheiten sehr stark unterscheinden, versagen Modelle manchmal. Hier ist der Meteorologe mit seinem Know-How um so gefragter.

Glen Flagler: Kurze Frage: Ist 2013 noch "normal"?

Thomas Rinderer: Was "normal" ist, richtet sich nach Durchschnittswerten, die meist auf 30 Jahre berechnet werden. Wenn man beispielsweise sagt, dass die durchnittliche Julitemperatur in Bregenz 18 Grad beträgt, im Juli 2013 aber 21 Grad beträgt, ist der Juli dann um 3 Grad zu warm ausgefallen. Der genaue Wert wirs selten erreicht, es gibt immer Abweichungen nach oben und unten. Der Juli 2013 ist jedoch sehr warm ausgefallen, er ist der zweitwärmste seit Aufzeichnungsbeginn.

Resident Evil: Nach einem kuehlen und verregneten Fruehling so ein Sommer - gibt es da einen (kleinen) Zusammenhang? Was verursacht diese stabile Wetterlage?

Thomas Rinderer: Es stellen sich meist großräumige Wetterlagen ein, die sich dann oft über mehrere Wochen einstellen. im Frühling sorgte ein Hoch über Skandinavien dafür, dass Tiefdruckgebiete wiederholt über Mittel- und Südeuropa ziehen mussten. Nun kommen wir häufig in den Einfluss hohen Luftdrucks. Tiefdruckgebiete, die über den östlichen Atlantik ziehen führen dabei immer wieder sehr warme Luft aus Nordafrika zu uns.

samron: Wir der Südosten langfristig der "Hotspot" Österreichs oder sind die extremen Hitzewellen und die Trockenheit nur Ausreisser in den letzten Jahren ?

Thomas Rinderer: Der Südosten Österreichs ist die wärmste und trockenste Gegend unseres Landes. Im Schutz der Alpen und durch zunehmenden Einfluss des Kontinetalklimas (trockene und heiße Sommer) kommen hier seltener Regenfronten an als im Westen des Landes.

UserInnenfrage per Mail: Da ja die Hitzewelle am kommenden Donnerstag endet würde ich gerne wissen wie es mit dem Übergang, also den Gewittern aussieht. Durch die Temperaturunterschiede werden die Gewitter ja ziemlich heftig ausfallen?!

Thomas Rinderer: Genau so ist es. In Teilen des Landes sind durchaus kräftige Gewitter möglich. Wo genau ist aber aus heutiger Sicht noch nicht zu benatworten. Das hängt davon ab, wie schnell die Kaltfront nach Osten vorankommt. Morgen wissen wir bereits mehr dazu.

tehj4ckass: Hallo, immer mehr Online-Portale bieten Wetterpognosen über 7 Tage und mehr hinaus an. Wie glaubwürdig sind derartige Wetterprognosen denn und innerhalb welchen Zeitraums darf man den Prognosen wirklich trauen?

Thomas Rinderer: Das kommt sehr stark auf die Wetterlage an. Bei stabilen Wetterlagen kann man durchaus auch für mehrere Tage recht verlässliche Prognosen erstellen. Schwieriger wird das bei unstabilen Lagen. Dann ist oft schon der 5. Tag recht schwierig genau zu prognostizieren. Man sollte dann die Vorhersage eher als Trend verstehen.

maalesh: Was ist eigentlich das Außergewöhnliche an dieser Hitzewelle? Sind es die gefallenen Hitzerekorde oder die langanhaltende flächige Trockenheit oder machen nur die Medien Panik und es gab eh' schon immer diese Hitzewellen?

Thomas Rinderer: Stimmt, Hitzewellen gibt es ja fast immer im Sommer und damit ist dann auch meist Trockenheit verbunden. Vor allem im Südosten hat es aber auch schon im Frühling recht wenig geregnet, was sich jetzt durch die Hitzewelle verschärft. Besonders ist auch, dass dieses Jahr sehr hohe Temperaturen gemessen werden. In Kärnten wurde ja der Allzeitrekord geknackt.

Nobody44: Wie schaut es mit dem anderem Extremum aus? Ab welchen Temperaturen gelten "Kältetage" und häufen die sich ebenso wie die Hitzetage?

Thomas Rinderer: Im Winter sprechen wir von den Frosttagen. Das sind Tage, an denen die Temperatur nicht über die 0-Grad-Marke steigen. Wie es im Sommer Hitzewellen gibt, treten im Winter Kältewellen auf, wie heuer im Jänner und Februar z.B. Und auch dann gibt es Menschen, denen das engegen kommt (Skigebiete) oder Menschen, denen das zu schaffen macht (z.B. Baubranche).

Tangeni Jr: Das erste Halbjahr war je eher zu feucht in Österreich, dennoch herrscht jetzt große Trockenheit und Probleme in der Landwirtschaft. Haben Sie - auch - den Eindruck, dass Niederschlag immer mehr in "Einzelereignissen" fallen und das zu den Problemen

Thomas Rinderer: Diesen Eindruck habe ich eigentlich nicht. In vielen Regionen des Landes fiel schon der Winter und dann auch der Frühling sehr feucht aus. Aber es gibt eben auch Regionen, in denen es seit dem Frühling nur wenig geregnet hat. Wichtig im Bezug auf Trockenheit ist auch die Bodenbeschaffenheit, die sich von Region zu Region unterscheidet. Zur Prognose: In Richtung Wochenende deutet sich eine Abkühlung an und besonders entlang der Alpennordseite fällt zeitweise Regen. Dadurch könnte sich die Situation etwas entspannen.

jeste jednou: warum wird bei der Rekordjagd so wenig auf die empfundene Temperatur eingegangen, die für uns ja die bestimmende ist?

Thomas Rinderer: Die gefühlte Temperatur hängt von der Luftfeuchtigkeit und auch der Windgeschwindigkeit ab. Diese Parameter unterscheiden sich in den unterschiedlichen Regionen häufig sehr. Zudem ist das objektive Empfinden von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Deswegen wäre dieser Parameter als Vergleichswert nicht geeignet.

meteomax: Was hat es mit Dellach auf sich? Warum wurde 1983 und auch jetzt wieder der Temperaturrekord gerade dort aufgestellt?

Thomas Rinderer: Kärnten ist auf Grund seiner südlichen Lage der subtropisch warmen Luft oft näher als Regionen an der Alpennordseite. Dellach befindet sich zudem in einer engen Tallage. Das geringe Luftvolumen kann stärker aufgeheizt werden wie z.B. das große Luftvolumen im östlichen Flachland.

Tetralemma: Viele (Laien)Fragen zielen auf die aktuelle Temperatur oder die globale Erwärmung ab. Gibt es in der Meterologie auch Entwicklungen, Trends etc die für die Spezialisten besonders interessant und beachtenswert sind, (die dem breiten Publikum mögliche

Thomas Rinderer: Mit dem Thema globale Erwärmung/ Klimawandel beschäftigen sich besonders Klimatologen, weniger Meteorologen. Allerdings ist es für unser Verständnis auch wichtig zu wissen, ob z.B. der Atlantik oder andere Meere, die unser Wetter in Europa mit beeinflussen, vergleichsweise warm oder kalt sind. Das kann nämlich einen Einfluss auf die Druckverteilung und somit auf unser Wetter haben.

slowness52: Wann schätzen Sie, wird der Mensch professionell ins Wetter eingreifen können. Ich meine nicht die kleinflächigen Silberjodidstreuungen u.ä., sondern RICHTIG?

Thomas Rinderer: Ich hoffe noch lange nicht! ;) Mehr kann ich dazu leider auch nicht sagen.

spertl: In welchem Zusammenhang stehen erhöhte Ozonwerte mit erhöhter Temperatur?

Thomas Rinderer: Bei höheren Temperaturen steht mehr Energie zur Verfügung Sauerstoff in Ozon umzuwandeln. Deswegen ist die Ozonbelastung am Boden an heißen Tagen erhöht.

rüpelknecht: Sind Bauernregeln à la "Wenn es an einem bestimmten Tag im Frühling regnet, wird der Sommer heiß" totaler Unsinn, oder steckt da mehr dahinter?

Thomas Rinderer: Es gibt eingig Bauernregeln, an denen auf alle Fälle was dran ist. Z.B. am Siebenschläfertag stellen sich immer wieder Wetterlagen ein, die sich über mehrere Wochen halten können. Dass hier ein Zusammenhang besteht, haben anscheinen schon unsere Vorfahren erkannt. Allerdings stimmt das auch nicht immer.

Herr Hansi: Was ist dieses Jahr mit den Gewittern los? Es gab ja diese Saison überhaupt kaum organisierte Gewitter. Ich freue mich natürlich nicht über die extremen Schäden die Superzellen(usw..) verursachen, aber was ist der Grund für die fehlenden Gewitter?

Thomas Rinderer: Es gab heuer durchaus schon einige schwere Gewitter. Die Saison startete schon früh Ende April. Der momentan häufige Hochdruckeinfluss sorgt aber momentan dazu, dass die Gewitterneigung oft gering ist und nur lokale Wärmegewitter entstehen. Die "beste Zutat" für schwere Gewitter wäre eine kräftige Kaltfront, die die Hitze beendet.

tennisrookie: Ihr Kollege Marcus Wadsak hat vor einigen Tagen getwittert, dass Wien ein heftiges Gewitter innerhalb von 30 Minuten treffen wird. Passiert ist schließlich nichts. Wie schwer ist es, sowas kurzfristig örtlich einzugrenzen und zu prognostizieren?

Thomas Rinderer: Gewitter sind generell schwer vorherzusagen. Zieht dann eines auf Wien, oder auch auf einen anderen Ort zu, passiert es nicht selten, dass es plötzlich die Richtung ändert oder sich auflöst.

nachwelt: Zu heiß, zu schwül, zu kalt etc....leiden auch Meteorologen unter dem Wetter oder überwiegt die Freude über vermehrte Anfragen zum Fachgebiet und damit die Möglichkeit der Wissensvermittlung?

Thomas Rinderer: Generell sind die meisten unter uns sehr wetterbegeistert. Und natürlich freuen wir uns am meisten, wenn es viel schneit, wenn es sehr kalt wird oder sehr heiß wird. Unter der aktuellen Hitze leiden aber auch manchen von uns sehr...in unserem Büro kann es nämlich ganz schön heiß werden ;) Solche Extrama vorherzusagen sind natürlich Herausforderungen für uns. Wir wollen sie richtig prognostizieren und freuen uns, wenn unsere Vorhersagen dann stimmen.

ChrisH.: Sie haben weiter oben geschrieben, dass das Wetter bis zu 5 Tage relativ genau vorausgesagt werden kann. Alles weitere ist dann nur als Trend zu verstehen. Bedeutet dass, das es dann theoretisch ab nächster Woche wieder mit einer neuen Hitzewelle lo

Thomas Rinderer: Wir können es nicht zu 100 % ausschließen, jedoch sieht es aus heutiger Sicht eher nach leicht wechselhaftem Wetter mit gemäßigteren Temperaturen aus.

benko_85: Warum bleibt Wien meistens von den heftigen Unwettern verschont? Liegt das daran, dass die kalte Luft meistens aus westlicher Richtung kommt, und sie die Gewitter schon entladen, bevor sie Wien in dem Ausmaß erreichen können?

Thomas Rinderer: So in etwa ist das. Österreich befindet sich meistens in einem Westwindsystem. Die Feuchte Luft zieht also von West nach Ost. Nicht selten kommt es vor, dass Fronten auf Ihrem Weg nach Osten "verhungern". Während es in Vorarlberg den ganzen Tag regnet, kommen dann im Burgenland nur noch wenige Tropfen an.

schmalspurganove: Wird der 40er heuer noch fallen?

Thomas Rinderer: Das ist eine seeehr spannende Frage ;) Aus heutiger Sicht sieht es aber ganz danach aus, dass der 40er diese Woche stark ins Wanken gerät. Man darf also gespannt sein!

ModeratorIn: Danke für die vielen Fragen und für den Besuch in der Redaktion!

Thomas Rinderer: Meine Zeit ist jetzt leider bereits um. Ich hoffe, ich konnte viele Fragen so gut wie möglich beantworten. Ob mit oder ohne Hitze wünsche ich allen Lesern noch einen schönen Sommermonat!