Santiago de Compostela - Eine Woche nach dem verheerenden Zugsunglück mit 79 Toten in Nordspanien sind weitere Details zum Unfallhergang bekannt geworden. Der Lokführer habe kurz vor der Entgleisung mit dem Schaffner des Zuges telefoniert, teilte das Regionalgericht in Galicien am Mittwoch mit. Der 52-Jährige selbst gab an, er könne sich nicht erklären, warum er das Tempo nicht rechtzeitig gedrosselt habe.

Der Lokführer sei wenige Minuten vor dem Unglück Santiago de Compostela von seinem Kollegen angerufen worden, teilte das Gericht unter Berufung auf die Aussage des 52-Jährigen mit. Demnach legte er einige Sekunden vor dem Unfall auf. Das Gespräch drehte sich den Angaben zufolge um die Frage, auf welchem Gleis der Zug in den Bahnhof Pontedeume einfahren solle.

Verfahren wegen fahrlässiger Tötung

Eine Auswertung des Fahrtenschreibers hatte ergeben, dass der Fahrer während des Unfalls außerdem offenbar eine Karte konsultierte. Auf den letzten Kilometern vor der Unglücksstelle hatte der Zug den Angaben zufolge ein Tempo von 192 Stundenkilometern, im Moment der Entgleisung fuhr er mit einer Geschwindigkeit von 153 Stundenkilometern und damit fast doppelt so schnell wie erlaubt.

Gegen den Lokführer wurde ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung in 79 Fällen eingeleitet. Der Unfall war das schwerste Zugsunglück in Spanien seit dem Zweiten Weltkrieg. Von den 178 Verletzten befanden sich am Dienstag noch 66 im Krankenhaus.

Der Lokführer gab laut einem Bericht der Zeitung "El Pais" (Mittwochsausgabe) an, er könne sich selbst nicht erklären, warum er das Tempo nicht rechtzeitig gedrosselt habe. "Ich sage es ihnen ganz ehrlich, dass ich es nicht weiß, ich bin doch nicht so verrückt, nicht zu bremsen", sagte er demnach vor Gericht am Sonntag.

Auswertung weiterer Verbindungsdaten

Richter Luis Alaez fragte laut dem veröffentlichten Auszug des Protokolls nach: "Haben Sie die Bremse irgendwann betätigt?" Darauf antwortete der 52-jährige Lokführer, er habe alle Bremsen betätigt, allerdings erst, als das Unglück bereits "unvermeidbar" gewesen sei. In der Kurve habe er dann gewusst, dass der Zug sie nicht unfallfrei durchfahren werde.

Der Richter forderte unterdessen von der staatlichen Bahngesellschaft Renfe weitere Informationen über den Gesundheitszustand des Lokführers an und darüber, wie viel Erfahrung er auf der Unfallstrecke gesammelt hatte. Von dem Schienennetzbetreiber Adif verlangt das Gericht einen Bericht über den Zustand der Gleise und der Signalanlagen auf dem Abschnitt sowie über die Kurve, in der sich der Unfall ereignete. Diese war von mehreren Fahrern als gefährlich eingestuft worden. Daneben sollen weitere Verbindungsdaten ausgewertet werden, um zu klären, ob der Lokführer während der Fahrt noch andere Telefonate führte. (APA, 31.7.2013)