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Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer AG, hat vergangene Woche den Verkauf der Regionalzeitungsgruppen Berliner Morgenpost und Hamburger bekanntgegeben.

Foto: APA/Wolfgang Kumm

Wie ein Blitz ist die Nachricht in der deutschen Medienlandschaft eingeschlagen: Axel Springer stößt seine traditionsreichen Publikationen "Hamburger Abendblatt", "Berliner Morgenpost" und "Hörzu" ab. Laut Verlag handelt es sich nicht um einen Notverkauf, sondern um eine strategische Entscheidung. Springer will sich mit mehr Geld in der Hinterhand für die zunehmende Digitalisierung rüsten.

Auf europäischer Ebene sind die Berliner damit nicht allein. Branchengrößen wie DailyMail, Sanoma, Lagardere und allen voran Schibsted leben diese Strategie längst vor oder versuchen, sie sich einzuverleiben. Sie kämpfen mit aller Macht darum, die Hoheit im Web zu gewinnen. Dabei geht es nicht mehr nur um das Geschäft mit journalistischen Angeboten. Eine immer größere Rolle spielen Rubriken-Portale beispielsweise für Immobilien-, Job- und Autoanzeigen, Handelsplattformen und Dienstleistungen wie etwa Kontaktbörsen.

Digitales Umsatzziel

Springer liegt dabei vor seinem eigenen Zeitplan. Ursprünglich wollte Firmenchef Mathias Döpfner bis 2020 die Hälfte des Umsatzes mit dem Digitalgeschäft erwirtschaften. Mit dem jüngsten Zeitungs- und Zeitschriftenverkauf an die Funke Mediengruppe verliert Springer nun allerdings 15 Prozent an Umsatz und Gewinn im Print-Bereich - damit dürfte sich die Prognose sehr viel schneller erfüllen. Beim norwegischen Schibsted-Konzern stehen die Online-Aktivitäten bereits für 80 Prozent des Konzernwerts. Unlängst hatte das Unternehmen, das Döpfner gerne als Vorbild dient, erklärt, noch mehr Geld in den Ausbau des Online-Sektors zu stecken und dafür im Print-Bereich stärker zu sparen.

"Schibsted konzentriert sich darauf, Online-Einnahmequellen durch Abos für Zeitungen oder andere Dienste aufzubauen", erklärt Martin Stenshall von der Danske Bank. Auch wegen des rasanten Anstiegs bei der Smartphone-Nutzung sei es für viele Nutzer immer selbstverständlicher, für Online-Inhalte zu zahlen. Zudem helfe, dass Schibsted eine beliebte News-Seite betreibe. Trotzdem habe das Unternehmen noch kein Allheilmittel für die Schwierigkeiten von Print-Konzernen gefunden, im Netz Geld zu verdienen.

Springer in der Vorreiterrolle

Springer sieht sich in Deutschland als Vorreiter für eine neue Bezahlkultur im Netz - und fordert Wettbewerber auf, hier nachzuziehen. Doch nicht alle halten das für den richtigen Weg. Burda zum Beispiel setzt unbeirrt auf Gratis-Magazine im Internet, um die Nutzer auf kostenpflichtige Handels- und Service-Angebote zu locken. Während der Münchner Konzern den Deutschland-Start der meinungsfreudigen Gratis-Online-Zeitung "The Huffington Post" vorbereitet, sind weite Teile von Deutschlands größter Boulevard-Zeitung "Bild" online seit kurzem nur noch gegen Entgelt verfügbar. Offiziell will der Berliner Konzern bei der Präsentation seiner Quartalszahlen am 7. August erstmals Bilanz ziehen, wie das beim Leser ankommt. "BILDplus ist technisch sehr gut gestartet und die erste Resonanz der Nutzer ist positiv", versicherte ein Firmensprecher.

Online längst erfolgreicher als in der Printversion ist Großbritanniens größte Boulevard-Zeitung "Daily Mail". Im abgelaufenen Quartal stiegen die Online-Werbeeinnahmen im Zeitungssektor um 41 Prozent, wie der Konzern Daily Mail and General Trust jüngst bekannt gab. Die Erlöse mit herkömmlichen Anzeigen gingen hingegen um sieben Prozent zurück. Im Gegensatz zu Springer schreckt der Konzern ähnlich wie "Spiegel Online" in Deutschland allerdings weiter davor zurück, online Gebühren zu erheben, um keine Leser einzubüßen.

Rubrikenmärkte

"Die Positionierung ist ganz wichtig. Wenn man die Marktführer auf den jeweiligen Plattformen betreibt, erreicht man immer mehr Kunden als alle anderen", erklärt Analyst Christoph Schlienkamp vom Bankhaus Lampe. Mehrere Insider sagen, Springer wolle sich mit den jüngsten Verkäufen auch in eine gute Ausgangsposition im Bietergefecht um die Internet-Anzeigengruppe Scout24 bringen. Die Deutsche Telekom als deren Eigentümer hat alle Interessenten aufgefordert, bis Mittwoch unverbindliche Gebote abzugeben. Zur Scout-Gruppe gehören die Anzeigenseiten Immoscout24, Autoscout24, TravelScout24 sowie Friendscout24. Immoscout ist größter Immobilien-Anbieter im Netz, abgeschlagen folgt Springers eigener Rubriken-Platz Immonet.

Eine solche Übernahme wäre Beobachtern zufolge eine wirkliche Stärkung des Rubriken-Portfolios, hätte aber nach Einschätzung des Medienökonomen Frank Lobigs nichts mehr mit Journalismus zu tun. "Das Rubriken-Geschäft läuft ohne Journalismus", erläutert der Professor der TU Dortmund. "Man braucht auf den Rubriken-Seiten nur das Angebot und die Nachfrage, und die stützen sich wechselseitig." Dennoch sieht Lobigs für Springer keine anderen Wachstumsmöglichkeiten als im Internet. Durch die Markt- und Meinungsmacht der "Bild" sei dem Konzern eine Expansion im Printgeschäft kartellrechtlich ebenso verbaut wie im Fernsehen. Ein Kauf von ProSiebenSat.1 war 2006 am Widerstand der Aufsichtsbehörden gescheitert.

E-Commerce

"Springer hat zum derzeitigen Kurs keine Alternative", sagt auch Commerzbank-Analystin Sonia Rabussier. Das Unternehmen müsse den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen, da die Verkleinerung des immer noch profitablen Printsektors nach den Verkäufen nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. "Springer muss aktiv werden. Zwar hat der Konzern als einer der ersten in Deutschland sein Online-Geschäft konsequent ausgebaut, jedoch fehlt es an selbst entwickelten Rubriken-Plätzen, die ins Ausland exportiert werden können." Dies sei Schibsted beispielsweise mit Leboncoin gelungen. Die Online-Seite, auf der es neben Immobilien unter anderem auch Autos, Elektronik-Artikel und Büromöbel zu kaufen gibt, wird längst in verschiedenen Länder-Versionen angeboten, unter anderem auf dem vielversprechenden brasilianischen Markt. (Reuters, 30.7.2013)