Aufnahmen von einer der Leichen des Llullaillaco. Grün eingefärbt sind die Überreste von gekauten Kokablättern.

Foto: PNAS/Johan Reinhard

Washington/Wien - Der Llullaillaco an der Grenze zwischen Argentinien und Chile gilt mit seinen 6739 m nicht nur als der höchste Vulkan, der in historischen Zeiten (zuletzt 1877) ausgebrochen ist. Unmittelbar unter dem Gipfel finden sich Bauten aus der Inka-Zeit und machen den Anden-Gipfel zur höchstgelegenen archäologischen Fundstätte der Welt.

Entdeckt wurden die Ruinen bereits in den 1950er-Jahren, doch erste Analysen, die der Österreicher Matthias Rebitsch 1958 und 1961 anstellte, konnten deren Bedeutung noch nicht erhellen. So dauerte es bis zum Jahr 1999, als eine Expedition auch die Mumien von drei Inka-Kindern fand, die vor rund 500 Jahren am Berg geopfert worden waren. Damit war klar, wozu die Anlage diente.

Aufgrund der Kälte waren die Mumien gefriergetrocknet und in einem hervorragenden Zustand. Zwar sind die Kinderleichen bereits gut erforscht. Doch fast vierzehn Jahre nach ihrer Entdeckung gelang es einem internationalen Archäologenteam, noch mehr Licht in das Schicksal der geopferten Kinder, einem vier- bis fünfjährigen Buben, einem gleichaltrigen Mädchen und einer rund 13-jährigen Jugendlichen, zu bringen.

Haarproben der Leichen entnommen

Den Forschern unter der Leitung von Andrew Wilson von der britischen Uni Bradford war gestattet worden, Haarproben der Leichen zu entnehmen, um nach etwaigen Alkohol- und Coca-Spuren zu suchen. Außerdem wurden Röntgenaufnahmen der Mumien erstellt. Wie die Wissenschafter im Fachblatt PNAS berichten, bestätigen die neuen Erkenntnisse, was zeitgenössische Chronisten über diese spezielle Form der Kindsopferung namens Capacocha berichtet hatten.

Das Ritual wurde ausschließlich an Kindern vollzogen, die den Inkas als reinste Menschenwesen galten. Für die Auserwählten wurde in der Inka-Hauptstadt Cuzco im heutigen Peru ein Fest abgehalten, ehe sie von Priestern begleitet ihre letzte Reise zu den zum Teil Hunderte Kilometer weit entfernten Opferstätten antraten.

Die Analysen bestätigten nun, dass man die Kinder ein Jahr vor ihrem Tod auf eine besonders reichhaltige Diät umstellte und ihnen Rausch erzeugende Kokablätter gab, um ihnen so die Besteigung der Berge zu erleichtern. Zudem wurden sie mit immer mehr Alkohol - vermutlich dem Maisbier Chicha - versorgt.

Das passierte einerseits wohl deshalb, weil der Rausch für die Inkas eine Art geheiligter Status war und in ihren Augen einen Zugang zur Welt der Geister ermöglichte. Andererseits hat man damit wohl auch den Widerstand, die Angst und das Leiden der Opfer minimieren wollen. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 30.7.2013)