Sie zogen zu zweit am Klöppel einer großen Glocke, im Gedenken an die Geburtsstunde der russischen Nation vor 1025 Jahren. Und auch in ihrer Art des Regierens haben die Präsidenten Russlands und der Ukraine, Wladimir Putin und Wiktor Janukowitsch, einiges gemeinsam: Verflechtung von Politik und Wirtschaft, Missachtung des Rechtsstaates, politischer Missbrauch der Justiz.

Aber weil der große Moskauer Bruder seinen Kiewer Verwandten auch mehr als zwei Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit der Ukraine noch immer quasi als Leibeigenen betrachtet, kann es kein Verhältnis auf Augenhöhe geben. Das offizielle Russland akzeptiert – wie die meisten Russen – die Eigenständigkeit der ukrainischen Nation nicht. Die Reaktion auf die Weigerung Kiews, der Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan beizutreten – ein Boykott ukrainischer Süßwaren –, ist der jüngste Beweis.

Auf der anderen Seite steht eine Europäische Union, die auch aus geostrategischen Gründen die nationale Selbstständigkeit der Ukraine fördern will, sich dabei aber in einem Dilemma befindet. Denn um glaubwürdig zu bleiben, muss die EU für die angebotene weitreichende Wirtschaftskooperation demokratische Mindeststandards verlangen. Die liefert Janukowitsch zwar nicht. Aber mit seinem Widerstand gegen Moskaus Begehrlichkeiten glaubt er trotzdem keine so schlechten Karten zu haben. Verlierer in diesem Dauerpoker ist das ukrainische Volk.  (DER STANDARD, 30.7.2013)