Die anscheinend letzte Hürde für Benjamin Netanjahu vor der Wiederaufnahme von Verhandlungen mit den Palästinensern galt bloß als Formsache, war aber dann höher als erwartet. Israels Premier brauchte die Genehmigung seiner Regierung für die Freilassung von 104 palästinensischen Häftlingen, die den Palästinensern und den US-Vermittlern als Vorleistung zugesagt worden war.

Start der Gespräche am Montag

Doch dann musste Netanjahu den Beginn des wöchentlichen Ministerrats verzögern, um noch Zeit für Überzeugungsarbeit zu haben. Am Ende bekam der Regierungschef am Sonntag doch mit 13 gegen sieben Stimmen grünes Licht. Vertreter Israels und der Palästinenser wollen bereits am Montagabend (Ortszeit) in Washington zu den Gesprächen zusammenkommen. Das teilte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, am Sonntag mit.

Obwohl Israel in der Vergangenheit als politische Geste oder im Rahmen von Tauschgeschäften schon oft große Zahlen von Sicherheitshäftlingen freigegeben hat, war diesmal über das Wochenende der Widerstand stark angewachsen. Ein Grund dafür war, dass Netanjahu offenbar im letzten Moment die Zahl von 82 auf 104 erhöhen musste, weil die Palästinenser drohten, die Gespräche platzen zu lassen. Zudem ist die Rede davon, dass auch Häftlinge freikommen sollen, die israelische Staatsbürger sind, was wie ein Eingriff in innerisraelische Angelegenheiten aussieht. Vor der Premierkanzlei demonstrierten am Sonntag rund 100 Hinterbliebene von Terroropfern. "Man spuckt den hinterbliebenen Familien und dem ganzen israelischen Volk ins Gesicht" , sagte Eliahu Nissim, einer der Wortführer, "es kann nicht sein, dass Leute, die unschuldige Männer, Frauen und Kinder ermordet haben, freikommen und als Helden gefeiert werden."

"Es gibt Momente, in denen man für das Land schwere Entscheidungen treffen muss, und das ist einer dieser Momente" , predigte demgegenüber Netanjahu. "Die Wiederaufnahme des Friedensprozesses zu diesem Zeitpunkt ist wichtig für Israel."

Im Kabinett hatte Netanjahu von vornherein nicht auf die Stimmen des rechten Koalitionsflügels zählen können. Er geriet aber ins Schleudern, als auch zwei ihm nahestehende Minister seiner eigenen Likud-Partei ankündigten,  mit Nein zu stimmen.

Referendum für Landverzicht

Glatt hatte die Regierung zuvor den Entwurf eines neuen Volksabstimmungs-Grundgesetzes durchgewunken, mit dem Netanjahu sich vorläufige Ruhe von den rechten Partnern erkaufen will.  Demnach müsste über jeden Verzicht auf "souveränes Territorium"  ein Referendum abgehalten werden. Somit wäre das Volk zu befragen, bevor etwa Teile Jerusalems abgetreten werden könnten. Das Westjordanland gilt im Sinne des Gesetzes nicht als israelisches Gebiet. Doch bei einem etwaigen Tausch von Teilen Israels gegen Teile des Westjordanlands wäre auch ein Referendum nötig.  (Ben Segenreich aus Tel Aviv /DER STANDARD, 29.7.2013)