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Ungläubig stehen weiterhin Schaulustige vor der Unglückskurve, in der mindestens 78 Menschen bei dem Zugunfall ums Leben kamen.

Foto: APA/EPA/CABALAR

Santiago de Compostela/Granada - Spanien steht auch zwei Tage nach dem verheerenden Zugunglück, bei dem mindestens 78 Menschen ums Leben kamen, unter Schock. Der Tross an Leichenwagen, der durch die Pilgerstadt Santiago de Compostela zog, schien schier nicht abzureißen.

31 Schwerverletzte ringen mit dem Tod

Zur Fassungslosigkeit und Wut der Bevölkerung gesellt sich noch immer die quälende Ungewissheit mancher Angehöriger: Die Behörden korrigierten die erste Opferzahl von 80 herab, da sich die Identifizierung der Leichen als schwierig herausstellte. Sechs Tote konnten bis Freitagabend noch nicht identifiziert werden. DNS-Analysen sind dazu notwendig. Unter den Toten befinden sich mehrheitlich Spanier, aber auch mexikanische, US-amerikanische und algerische Staatsbürger. 31 Schwerverletzte, darunter drei Kinder, ringen nach wie vor auf Intensivstationen mit dem Tod.

Ermittlugnen wegen fahrlässiger Tötung

"Ich habe es verhaut. Ich will sterben. Ich hätte sterben sollen", sagte G., einer der zwei Lokführer, über Funknotruf kurz nach dem Unglück. Er soll über mehr als 30 Dienstjahre verfügen. G. ist mit leichten Verletzungen in Polizeigewahrsam genommen worden. Gegen ihn wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. In einer ersten Einvernahme sagte er, ein Alarm wegen überhöhter Geschwindigkeit sei ertönt, und er habe den Bremsvorgang eingeleitet - allerdings zu spät.

190 anstatt 80 Stundenkilometer

Mit 190 anstatt vorgeschriebenen 80 Stundenkilometern raste der Zug Mittwochabend in die Kurve. Die zwei vordersten Wagons sprangen aus den Gleisen, und der gesamte Konvoi kollidierte mit der Betonwand. "Noch nie sind wir so schnell aus dem Tunnel gekommen", schilderte eine Überlebende, was im Inneren des Zuges passierte: "Dann kippte der Wagon, und das Eisen verformte sich, als wäre es Teig."

"In schweren Zeiten beweisen die Spanier Einheit", unterstrich Vizeregierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría vom in Korruptionsskandale verstrickten Partido Popular. Sie lobte die "immense Solidarität der Bevölkerung" und mahnte zur Vorsicht, was Mutmaßungen betreffe. Auch am zweiten der drei Tage Staatstrauer verstummten Spaniens soziale Netzwerke um acht Uhr abends für fünf Gedenkminuten. (Jan Marot, DER STANDARD, 27./28.7.2013)