Als der türkische Premier Tayyip Erdogan dieser Tage wieder einen Provinzflughafen eröffnete, hat auch die Kurdenpartei Tausende von Anhängern zur Zeremonie geschickt - als jubelnde Gäste. Denn erstmals hat der türkische Staat einen Flughafen nach einem kurdischen Politiker benannt. Nach Sirnak, einer Provinz an der Grenze zu Syrien und zum Irak, fliegt man seit Freitag zum Serafettin-Elçi-Flughafen.

Elçi, einst Minister für Stadtentwicklung in einem Kabinett des Linkspremiers Bülent Ecevit, war nach dem Putsch von 1980 zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, weil er sagte, es gäbe Kurden in der Türkei. Vergangenen Dezember verstarb der Sohn einer kurdischen Bauernfamilie, jetzt soll die Namensgebung den Friedensprozess mit der PKK im Gleis halten helfen. Denn die historische Aussöhnung mit der kurdischen Untergrundarmee steht Spitz auf Knopf.

"Der Regierungschef redet viel, aber er hat nie Konkretes über die Schritte in diesem Prozess gesagt", stellte Firat Anli, ein führender Kurdenpolitiker, schon vor Wochen in einem Gespräch mit dem Standard in Diyarbakir fest. Anli verbrachte als Angeklagter in den KCK-Prozessen mehr als drei Jahre in Untersuchungshaft und kam vergangenen Februar frei. Dabei ist offen, welche Ratio nun die Prozesse gegen angebliche Mitglieder der KCK haben: Die türkische Justiz hat in den vergangenen Jahren mehrere Tausend Personen festnehmen lassen, die in Verbindung mit der "Union der Gemeinschaften Kurdistans" (KCK) stehen sollen - sie gilt den Behörden als politischer Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Gleichzeitig aber spricht der türkische Staat mit der PKK über ein Ende des vor mehr als 30 Jahren begonnen Bürgerkriegs. "Lösungsprozess" heißt das offiziell.

Anli, bis zu seiner Verhaftung Chef der Kurdenpartei BDP in Diyarbakir und ein möglicher Nachfolger von Bürgermeister Osman Baydemir, erwartet die Freilassung der KCK-Häftlinge bis spätestens Herbst: "Die erste Phase ist vorbei, die Kämpfer der PKK haben sich zurückgezogen. Jetzt wartet das kurdische Volk auf Schritte der Regierung."

Abdullah Öcalan, der inhaftierte Gründer der PKK, soll nun ein Ultimatum gesetzt haben: Bis 15. Oktober müsse die türkische Regierung Schritte im Friedensprozess gemacht haben, andernfalls werde die Waffenruhe aufgekündigt. Das berichtete ein Mitglied der KCK, einer Dachorganisation der kurdischen Arbeiterpartei, in einem Interview mit dem Sender Deutsche Welle.

Gespräche seit 2012

"Wie Millionen andere in diesem Land weiß ich nicht wirklich, was sie unter diesem Prozess verstehen", schrieb Mehmet Kamis, stellvertretender Chefredakteur der regierungsfreundlichen Tageszeitung Zaman diese Woche über Erdogan und den Geheimdienst MIT, die seit Ende 2012 den Gesprächsfaden mit Öcalan halten. "Wenn Prozess heißt, dass niemand mehr stirbt, dann bin ich natürlich dafür", setzte er fort. Doch ein "Fahrplan" zum Frieden ist nie öffentlich gemacht worden, und ob es ihn überhaupt gibt, bezweifeln viele in der Türkei. Selbst über den Beginn, die Stufe eins mit dem Abzug der PKK-Kämpfer aus der Türkei, herrscht Uneinigkeit.

20 Prozent der Kämpfer seien bisher ins Hauptquartier der PKK in den Nordirak abgezogen, gab Vizepremier Bülent Arinç an. Ein "Demokratiepaket" hat die Regierung nun in Aussicht gestellt. Es könnte auch die Verwendung der kurdischen Sprache bei Behördengängen vorsehen. Doch der Krieg in Syrien kompliziert die Dinge noch: Mit dem "Lösungsprozess" für die Kurden in der Türkei wollte die Regierung die Kurden in Syrien in Schach halten. Offiziere des MIT, so gab Erdogan bekannt, hätten sich nun mit dem Chef der syrischen Kurdenpartei PYD getroffen. (Markus Bernath, DER STANDARD, 27./28.7.2013)