Der Sommer hält die Stadt fest in seinen schwitzigen Klauen. Nach kurzem Reality-Check ist man sich sicher: Es sind nur werbetechnisch umgesetzte Menschen hübsch, wenn sie in offensichtlich heißen Gegenden zugegen sind. Mit der richtigen Sportkleidung, Sonnenbrille, Alkoholgetränk in ihrem Besitz. Die schwitzen großformatig elegant. Denkt man im Vorbeischleichen an einer Plakatreihe, die sich die ganze Straße entlangzieht.

Dann fällt dem temperaturbedingt stillgelegten Bewusstsein ein, dass die alle vermutlich nur hübsch aussehen, weil sie sich nicht bewegen. Und vor allem nicht riechen. Olfaktorisches kann die schönste Optik zerstören. Dann schnüffelt man verschämt unterm gehobenen Arm, stellt fest, dass man sich selbst sofort von der Bettkante stoßen würde, wenn es eine gäbe. Leider gibt es keine. Nur Asphalt und Häuserschlucht. Kein Baum weit und breit. Es ist High Noon. Der Schatten hat sich unter die Fake-flipflopsohlen verkrochen. Diese schmiegen sich hingebungsvoll an Fuß und erweichenden Asphalt. Man hat das Gefühl, auf Schaumstoff zu gehen, auf Marshmellows, sogar auf LSD-Beinen.

Man schwört, nie wieder dort zu sparen, wo es nicht besonders teuer ist, man kommt ins Grübeln, was für verbotene Weichmacher wohl gerade durch die Haut dringen, verlässlich von Körperflüssigkeit getragen. Die weiteren Szenarios stoppt man mit einem Eis, das bereits im Hinausgehen aus dem Eissalon von der Tüte hängt, und beginnt darüber nachzudenken, welche Auswahl an Vergiftungserscheinungen man nun oral geboten bekommen hat: Salmonellen? Listerien? Einmal aufgetaut und wieder eingefroren?

Fäkalkeime? In der U-Bahn gibt es reichlich vorgewärmte Feuchtgebiete, Parfum und Döner, die aber halb so schlimm sind wie die Stimmung. Die einen sind aufgereizt, die andern knapp vor der Ohnmacht. Die Hunde wollen nicht in den Prater.

Wenn es so weit ist, dass Hunde nicht in den Prater wollen, ist man verloren, was die Temperaturen angeht. Die Hunde wollen nicht einmal aus dem kühlen Stiegenhaus heraus. Die Hunde wollen jedoch weiterhin fressen. Das wird für logistische Probleme sorgen, in absehbarer Zeit. Man erreicht dennoch den Zustand vollkommener Balance. Yin und Yang, oben und unten gleichen sich unaufhaltsam an: das schwammige Gefühl zwischen den Zehen manifestiert sich auch zwischen den Ohren. Das ist der Augenblick, in dem man unüberlegte Dinge zu verlangen beginnt. Etwa das Versprechen ewiger Liebe, ein Louis-Vuitton-Täschchen, das so viel kostet wie ein kleines Gebrauchtauto, ernst gemeinte Kritik oder zum Beispiel einen Zauber, der alles, was man berührt, in Gold verwandelt. Eiswürfel wären geeigneter. (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 27./28.7.2013)