Mit geballter Faust gegen das Unrecht: Michael Ostrowski gibt sich neuerdings kampfbereit.

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Eben kein Arbeitersozialdrama: Ostrowski in "Die Werkstürmer".

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Der österreichische Schauspieler über Helden der Arbeit, Landliebe und falsche Sparideen.

STANDARD: In "Die Werkstürmer" spielen Sie Patrick, einen Stahlarbeiter, der ein wenig in seiner Entwicklung steckengeblieben ist. War das ein Part, zu dem Sie rasch Zugang gefunden haben?

Ostrowski: Bisher habe ich mir ja die meisten Hauptrollen selbst geschrieben. Ich wusste, das macht kein anderer für mich. Der große Unterschied war nun, dass mir das Buch von Andreas Schmied angeboten wurde: Er hat die Rolle für mich geschrieben. Das liest man gleich anders - und hofft halt, dass es einem gefällt. Zum Glück war es so, dass ich bei dem Typen nicht lange überlegen musste - der steht so neben sich, da war alles ganz klar. Ich habe jedoch viel darüber nachgedacht, dass "Die Werkstürmer" ein sehr klassischer Film ist - ich glaube immer, dass es in der Handlung noch woanders hingehen muss, wo es nicht so logisch ist. Der Film ist "well made" - und das hat mich gereizt.

STANDARD: Patrick durchläuft eine Entwicklung und kämpft schließlich darum, das von der Schließung bedrohte Werk zu erhalten. Ist er für Sie ein Held der Arbeit?

Ostrowski: Mir war eher sympathisch, dass er nicht der typische Working-Class-Held ist. Nicht der muskelbepackte Anführer, der zur Revolution aufwiegelt.

STANDARD: Er zitiert das nur - beim Aufbrechen des Fabrikschlosses lässt er sich etwa filmen.

Ostrowski: Er will ja auch seiner Exfreundin imponieren. Und das fand ich auch richtig so. Die Leute sind ja nicht von vorneherein große Helden. Das passiert ihm dann einfach so.

STANDARD: Filme über politisches Engagement sind in Österreich selten. Ist diese Ausrichtung etwas, was Sie vermisst haben?

Ostrowski: Ich habe sogar einmal überlegt, selbst etwas mit Politik zu machen. In der Schule war ich sehr engagiert. Das findet sich noch in den Filmen, die ich selber geschrieben habe: In "Nacktschnecken" ging es mir um das Lebensgefühl einer Generation; um Leute, die so reden, wie sie eben reden - und irgendwo auch anarchisch sind. Sie stehen nur scheinbar auf der Verliererseite. Das war ein Gegenentwurf zu einer bürgerlichen Welt, zu der ich mich nicht hingezogen fühlte.

STANDARD: Aber eine richtige politische Idee hatten die auch nicht ...

Ostrowski: Es war nicht wie bei Ken Loach! Aber in ihrer Ausrichtung waren die Filme durchaus politisch. Das hat mit der Geisteshaltung zu tun, dass es noch etwas anderes gibt, als in fünf Semestern fertig zu studieren.

STANDARD: Eine Reaktion auf neoliberale Selbstvermarktungskonzepte?

Ostrowski: Ja, auf dieses Effizienzdenken, das Ende der 1990er über alle drübergerodelt ist. Ich finde es auch passend, dass man nun mit "Die Werkstürmer" so ein Thema aufgreift, ohne dass daraus ein Arbeitersozialdrama wird. Das geht auch als leichter Film.

STANDARD: Das Bild des steirischen Dorfes, in dem alle zusammenhalten, ist dennoch etwas nostalgisch geraten. Kennen Sie solche Orte?

Ostrowski: Ich finde es authentisch, auch wenn es wie eine heile Welt erscheint. Es ist etwas verkleinert, vereinfacht. Aber ich kenne das schon so. Am Land ist es anders - es ist auch nicht alles super. Jeder will zuerst weg. Ich hätte auch nicht daheimbleiben können, kehre aber gerne zurück - nicht aus Nostalgie, sondern weil ich die Leute schätze.

STANDARD: Es heißt von Ihnen immer wieder, Sie spielten so authentisch. Was bedeutet das eigentlich für einen Schauspieler?

Ostrowski: Ich habe mir die Frage auch erst gestellt, als man das immer wieder über mich gesagt hat. Schauspielen heißt bis zu einem gewissen Grad auch, man selber sein, authentisch sein in dem, was man tut. Das heißt nicht, dass ich immer der Gleiche sein muss. Das bin zwar immer ich - aber in verschiedenen Ausführungen.

STANDARD: Sie gelten als Bewunderer von Jerry Lewis - einem sehr körperbetonten Schauspieler. Was schätzen Sie an ihm besonders?

Ostrowski: Der Jerry Lewis lehnt sich nach außen - ganz sprichwörtlich -, bis er kurz vorm Umfallen ist. Er geht Risiken ein, nicht nur körperlich. Das finde ich vorbildlich - auch, dass er ein so genauer Arbeiter war und das gemacht hat, was er wollte. Es ist eine Mischung aus Anarchie und totaler Präzision. Alle guten Komiker arbeiten mit äußerstem Risiko. Auch beim Gerhard Polt, mit dem ich gerade den Film "Und Äktschn" gedreht habe, gab es solche Momente der Improvisation. Man plant etwas, aber es ist etwas anderes, richtig loszulassen, um solche Momente des Wahnsinns zu erreichen.

STANDARD: Sie haben sich unlängst geweigert, über Ihre Beziehung zu Ihrer Filmpartnerin Hilde Dalik Auskunft zu geben. Ist das Interesse an Ihrem Privatleben der Nachteil Ihrer Popularität?

Ostrowski: Ich habe nie verstanden, warum man über sein Privatleben reden soll. Das ist eine Ablenkung vom Wesentlichen, die mich nicht interessiert. Ich möchte mir etwas von meinem Leben bewahren, sonst bin ich irgendwann völlig durchsichtig. Es gibt eine Tendenz in der Kulturberichterstattung in Richtung "Seitenblicke" - das ist okay, aber man muss da nicht mitmachen. Das gibt es gesellschaftspolitisch wirklich Relevanteres.

STANDARD: Was halten Sie, als einer der Stars des heimischen Kinos, von den Diskussionen über die Ausrichtung der Filmförderung?

Ostrowski: In Wahrheit ist es so, dass sich Film in Österreich wirtschaftlich nicht trägt. Theater auch nicht, Musical vielleicht - all das wird gefördert. Es ist eine fiese Diskussion, dass es vor allem beim Film immer wieder heißt, er müsse kommerziell erfolgreich sein. Publikums- und Festivalerfolge gegeneinander auszuspielen, ist unfein. Die Filmförderung ist dazu da, gute Filme zu ermöglichen. Man muss aufpassen, dass man dem Film nicht die Kommerzwatschen umhängt. Jeder will Filme fürs Publikum machen, aber man kann sich leisten, auch solche zu machen, die nur 2.000 Leute sehen - so wie man es sich leisten sollte, Filme zu machen, die auf keinen Festivals laufen.

STANDARD: Das ORF-Sparprogramm im Bereich Kultur wurde jüngst oft kritisiert. Wo sehen Sie als Betroffener Handlungsbedarf?

Ostrowski: Der ORF hat die Aufgabe, Dinge zuzulassen. Wir sind der ORF. So sehe ich das. Es ist unsere Aufgabe, da etwas zu erreichen. Man sollte nicht jammern, sondern sich hinsetzen, etwas tun. Man sollte mit Selbstbewusstsein vorgehen und nicht jeden Schas machen. Wenn jemand einmal etwas anderes macht und sich nicht so schnell einordnen lässt, muss man das auch aushalten. Ich will keine 200 Folgen von "SOKO Krems" machen, obwohl ich mir davon sicher ein Haus bauen könnte. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 26.7.2013)