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Serben auf dem Amselfeld. Jüngst ersetzten EU-Vokabel die Floskel vom Kosovo als "Wiege des Serbentums".

Foto: Reuters/Reka

In Belgrad dreht sich alles um die Europäische Union. Seit Monatsbeginn wechseln sich hohe Funktionäre aus Brüssel in der serbischen Hauptstadt ab. EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton, Ratspräsident Herman Van Rompuy, Erweiterungskommissar Stefan Füle: Alle bringen sie Lob und Ermunterung für die serbische Regierung. Nur weiter so, lautet die Botschaft. Dass der Durchbruch vollbracht ist, dass sich Serbien unwiderruflich auf dem Weg in die EU befindet, soll auch die auf dem Regierungsgebäude gehisste blaue Fahne mit den zwölf Sternen zeigen.

Dass der formale Beginn der Beitrittsgespräche im Jänner 2014 mit der Umsetzung des Abkommens zwischen Belgrad und Prishtina bedingt wird, das wird in Serbien unter den Teppich gekehrt. Nichts soll die Aufbruchsstimmung trüben. Das Wort "Bedingung" wird peinlich vermieden - wenn schon, spricht man von "Voraussetzungen" für den Beginn der Verhandlungen.

Die Bürger Serbiens beginnen sich allmählich mit neuen Termini aus dem EU-Vokabular anzufreunden: Verhandlungsrahmen, Screening, Benchmarks. Sie ersetzen die Floskel vom Kosovo, als der "Wiege des Serbentums".

Gute Tipps vom Nachbarn

Kroatien ist kein Feindbild mehr, sondern Vorbild für den erfolgreichen Weg in die EU. Experten aus Slowenien und Kroatien sollen bei den Vorbereitungen auf die Gespräche helfen. Die Regierung in Belgrad ist sehr um gute Beziehungen mit den Nachbarstaaten bemüht - man ist sich sehr wohl bewusst, dass man nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien noch an Serbiens Image arbeiten muss. Das Land will nun Musterschüler sein im regionalen Wettbewerb.

Die Voraussetzungen dafür sind gut: Serbiens Institutionen sind bereit, die Verhandlungen mit voller Kapazität aufzunehmen, die Arbeitsgruppen sind formiert. Die Regierung muss nur noch den Chef des Verhandlungsteams ernennen, und ab September kann es losgehen. Das Kosovo-Problem will man unterwegs lösen.

Doch abseits der EU-Erfolgsstory, drückt die soziale und wirtschaftliche Misere das Land, ohne Hoffnung, dass es in absehbarer Zeit besser wird. Die Arbeitslosigkeit beträgt rund 27 Prozent und steigt, ebenso wie die Preise, während Produktion und Lebensstandard sinken. Bis Ende Juli soll die serbische Regierung gründlich umgebaut werden: einerseits um ein passendes Team für die EU-Gespräche zu haben, andererseits um den absehbaren sozialen Groll abwehren zu können. Derzeit sind die in Aussicht gestellten Beitrittsverhandlungen ein Hoffnungsschimmer, doch in Belgrad fürchtet man den Zeitpunkt, wenn die Stimmen der verarmten Bevölkerung lauter werden und die Frage stellen: "Was haben wir davon?" (Andrej Ivanji, DER STANDARD, 25.7.2013)