Gruß an die Klassik: Meg Stuart mit "Built to Last". 

Foto: Tine Declerck

Wien - Zwei Annäherungen an das Thema Zeit versuchen bei Impulstanz die in Deutschland lebenden und arbeitenden Choreografinnen Meg Stuart und Jana Unmüßig. Stuarts jüngste Arbeit Built to Last relativiert, was in der Kultur auf Dauer angelegt ist. Unmüßig geht es um die Zeiterfahrung selbst. Ihr knapp einstündiges Stück mit dem Titel Farbe, Farbe ist auf der Jungchoreografen-Spielwiese [8:tension] im Festival noch einmal am Donnerstag zu sehen.

Etwas "für die Ewigkeit" zu schaffen, ist für die postmodernen, neoliberalen Gesellschaften ohnehin keine Option mehr. In einer Zeit, in der das Verschwindende vorherrscht, erscheint eine Kritik an der Idee des Langfristigen als absurd. Aber Stuarts auf einer raffinierten, von dem Starpianisten Alain Franco ausgewählten Musikselektion errichtetes Stück zielt ohnehin auf etwas anderes: auf die Illusion von ewigen Werten, die bis heute aus der klassischen, der "ernsten" Musik gezogen wird.

Kein Beethoven oder Dvorák, kein Rachmaninoff oder Bruckner, weder Schönberg noch Ligeti werden für immer halten. Stuarts Abrechnung mit der kulturellen Haltbarkeitsromantik surft auf Wellen aus bitterem Witz daher. Fünf Tänzer und Performer bringen sich zu Ausschnitten aus Monumenten der Musikgeschichte in unmögliche Situationen. Unter einem riesigen Mobile, das ein Sonnensystem darstellt, in dem die Planeten sich gegenläufig zueinander bewegen, hampeln und posieren drei Frauen und zwei Männer.

Sie zitieren Joseph Haydn: "Die Welt wird niemals mehr dieselbe sein." Oder, später, Madonna: "Music makes the people come together. Yeah!" Zustimmend lacht das Publikum über die Ironie, mit der Schauspieler Kristof Van Boven diesen Spruch wiedergibt. Über zwei Stunden lang halten die wackeren Zeitreisenden in Sachen Musik ihre großartige, fröhliche Apokalypse im Volkstheater durch.

Die um zwei Choreografen-Generationen jüngere Jana Unmüßig hält es im Kasino am Schwarzenbergplatz mit dem Gegenteil. Keine Musik. Kein Witz. Keine Zeitkritik als Thema. Die vier Tänzerinnen arbeiten einen Prozess aus minimalistischen Bewegungen und Konstellationen durch. In vollkommener Unaufgeregtheit. Wie Abgesandte aus einer Zukunft, in der alles ganz anders geworden ist. Der Titel Farbe, Farbe täuscht. Denn hier geht es nicht um Buntheit wie im Entertainment. Sondern um Nuancierungen der Erfahrung, die längst ausgerottet zu sein scheinen.   (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 25.7.2013)