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Ein Bub mit einer kurdischen Flagge in Ras al-Ayn. Das Bild stammt von Februar - damals schloss die PYD mit der Free Syrian Army nach Kämpfen einen Waffenstillstand.

Foto: AP / Manu Brabo

Damaskus/Ayn al-Arab/Wien - Der kurdische Name von Ayn al-Arab an der Grenze zur Türkei ist Kobani: Und von hier - so teilt die Kurdische Demokratische Einheitspartei (PYD) in einer Aussendung mit - hat die "Revolution des 19. Juli" ihren Ausgang genommen, bei der 2012 "das kurdische Volk seine Städte von den Resten des Baath-Regimes befreit" hat.

Den ersten Jahrestag hat die PYD zum Anlass genommen, um einen Fahrplan zu einer demokratisch legitimierten Selbstverwaltung vorzulegen: In drei Monaten soll eine Interimsregierung stehen, danach soll über einen Verfassungstext abgestimmt und innerhalb eines halben Jahres gewählt werden. Allerdings sei eine Autonomie "innerhalb eines pluralistischen und demokratischen Syrien" das Ziel.

Dennoch genügt dies, um in Ankara die Zornesadern schwellen zu lassen: Gilt doch die PYD als Schwesterpartei der türkischen PKK, die sich mit der türkischen Regierung in einem stockenden Friedensprozess befindet. Noch ein kurdisches Autonomiegebiet an der Grenze - nach dem im Irak - lässt türkische Alarmglocken läuten, auch wenn die Voraussetzungen für die syrischen Kurden sowohl aus territorialen (kein leicht verteidigbares Berggebiet) als aus wirtschaftlichen Gründen schlechter sind als im Irak.

Die PYD ist so antitürkisch, dass ihr ein Schulterschluss mit den anderen, von der Türkei geförderten Rebellen gegen das Regime von Bashar al-Assad nie möglich war; im Gegenteil, sie beschuldigt Ankara, die islamistischen Anti-Assad-Rebellen aufzuhetzen, auch die syrischen Kurden anzugreifen. Im Gegenzug wird die PYD beschuldigt, mit Assad gemeinsame Sache zu machen, etwa bei der Vermarktung des Öls, das es in der Provinz Hassakah gibt.

Zwischen der PYD beziehungsweise ihrem bewaffneten Arm YPG und anderen Rebellen, wie der Free Syrian Army (FSA), gab es seit Ausbruch des Aufstands immer wieder Auseinandersetzungen, gefolgt von brüchiger Kooperation. Ein Grund für die Streitereien sind die Ressourcen - besonders seit die EU das Embargo für aus den Rebellengebieten kommendes Öl gelockert hat.

Seit vergangener Woche ist ein verlustreicher Kampf zwischen Kurden und der Al-Kaida affiliierten Al-Nusra-Front in Hassakah voll ausgebrochen, und die Kurden haben offenbar die Oberhand: Am Samstag gelang es ihnen sogar, einen Nusra-Kommandanten, Abu Musab, festzunehmen. Am Sonntag befand sich der Jihadist - der von den Einwohnern der Gegend das Bekenntnis zu einem "Islamischen Staat in Syrien" verlangte - schon wieder in Freiheit: Nach einer Version hatten ihn seine Leute befreit, nach einer anderen kam er im Zuge eines Gefangenenaustausches frei.

Die ganze Paradoxie des Syrien-Konflikts zeigt sich im Umstand, dass sich bei diesem neuen Konflikt die Interessen Assads und seiner Gegner von außen - von Washington bis Riad - treffen: Beide wünschen sich ja, dass die Jihadisten eingedämmt werden.

Auseinandersetzungen gibt es jedoch auch zwischen PYD und anderen Kurden. Ende Juni wurden bei einer Demonstration in Amuda sechs Kurden von den YPG (Volksverteidigungseinheiten) getötet. Einmal mehr musste der kurdische Regionalpräsident Massud Barzani als Vermittler einspringen. Er hatte ja schon den "Höchsten Kurdischen Rat" als Gremium aller gestiftet - der jedoch nicht wirklich funktioniert. Der Experte Wladimir von Wilgenburg teilt die syrischen Kurden in die "Kandil- oder Slemani-Front", die der PKK und der irakisch-kurdischen PUK (Patriotische Union Kurdistans) von Jalal Talabani nahesteht, und die von Barzani ferngesteuerte "Erbil-Front", die keine so großen Berührungsängste mit der Türkei hat, ein.

Am geplanten politischen Prozess sollen alle kurdischen Fraktionen teilhaben, fordert Barzani und beteuert die PYD. Eine gewählte kurdische Verwaltung soll auch den "Höchsten Kurdischen Rat" obsolet machen.

Mit einer kurdischen Autonomie dürfte auch der Oppositionsdachverband "Syrian National Coalition" keine Freude haben: Manche syrischen Nationalisten sehen sie als ersten Schritt zur befürchteten Aufteilung Syriens in - mindestens - einen kurdischen, einen alawitischen und einen arabischen Teil. Aber die "Coalition" war ihrerseits nicht bereit, Konzessionen den Kurden gegenüber zu machen, wie auch nur eine Diskussion darüber, ob Syrien wirklich eine "arabische" Republik sein muss wie jetzt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 23.7.2013)