Lissabon/Madrid - Es wird in Portugal keine "Regierung der nationalen Rettung" geben. In einer Fernsehansprache gestand Präsident Aníbal Cavaco Silva am Sonntagabend ein, das sein Vorschlag, eine solches Koalitionskabinett zu bilden, an der Haltung der Opposition gescheitert ist. Die oppositionelle Sozialistische Partei (PS) weigerte sich, einem solchen Plan zuzustimmen. Bei einem Urnengang vor zwei Jahren wegen des Rettungsgesuchs an Europa und die Troika vom Wähler abgestraft, wollen sie sich nicht erneut die Finger verbrennen.

Sozialisten wollen Neuwahl

Die Partei hatte zwar Verhandlungen für eine große Koalition aufgenommen, diese sind nun allerdings gescheitert. Denn die PS lehnte ein erneutes Sparprogramm von 4,7 Milliarden Euro, das bereits mit der Troika abgestimmt ist, ab. Zu groß seien die Opfer, die die Bevölkerung bereits gebracht habe. Nach zwei Jahren harter Sparpolitik liegt die Arbeitslosigkeit bei der Rekordquote von 17,6 Prozent, die öffentlichen Dienstleistungen, Transport, Bildung und Gesundheitswesen werden immer weiter zusammengekürzt. Zudem wurden die Löhne gesenkt und die Steuern erhöht. Die Sozialisten fordern nun Neuwahlen.

Doch genau diese wird es nun, zumindest vorerst, eben nicht geben. "Die beste Lösung ist die Fortsetzung der aktuellen Regierung", beschloss Cavaco Silva. "Wir müssen den europäischen Partnern zeigen, dass Portugal ein regierbares Land ist", erklärte er seine Ansicht in der Fernsehrede.

Genau danach sah es während der vergangenen vier Wochen aber nicht aus. Die Koalition um den Regierungschef Pedro Passos Coelho und seiner konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD), der auch Cavaco Silva angehört, und der kleineren CDS-PP von Außenminister Paulo Portas, drohte auseinanderzubrechen.

Zuerst trat Ende Juni der PSD-Finanzminister Vitor Gaspar zurück. Anfang Juli folgte Portas selbst. Seine Amtsniederlegung sei "unwiderruflich", erklärte er damals. Dass er jetzt doch im Amt bleibt, liegt nicht zuletzt daran, dass er für sich einen besseren, einflussreicheren Posten heraushandeln konnte. Portas wird künftig Vizepremier. In seine Zuständigkeit werden die Verhandlungen mit der Troika fallen. Portugal hängt an einem 78-Milliarden-Tropf der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Es ist kein leichter Job, den Portas als Vizepremier und Verhandlungsführer antritt, denn auch er kritisierte in der Vergangenheit immer wieder den harten Sparkurs.

Drohkulisse: Staatskollaps

Wenn Portas gegenüber der Troika überhaupt ein Druckmittel hat, um seinem Land etwas Luft zu verschaffen, dann das des völligen Zusammenbruchs des südwesteuropäischen Staates, der das benachbarte Spanien, aber auch Italien und Frankreich anstecken könnte. Portugal braucht eine erneute Lockerung der Sparziele. Denn das Versprechen, das Defizit von 6,4 Prozent 2012 auf 5,5 Prozent bis Ende 2013 zu senken, kann nicht eingehalten werden.

Es sind die Zinsen für die Staatsanleihen, die das kleine Land ersticken. In den Wochen der Regierungskrise stiegen sie erneut auf Rekordwerte von deutlich über sieben Prozent. Eine vollständige und vor allem selbstständige Rückkehr Lissabons an die Finanzmärkte bleibt damit schwierig. (Reiner Wandler, DER STANDARD, 23.7.2013)