Unkenntnis eines Gesetzes schützt nicht vor Strafe, lautet ein Rechtsgrundsatz. Umgelegt auf die Politik: Nichtwissen um die Vorgänge im eigenen Verantwortungsbereich enthebt nicht der Verantwortung.

In der deutschen Geheimdienstaffäre hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer nichtssagenden Erklärung in den Urlaub verabschiedet. Die Sicherheit eines Staates und seiner Bürger ist Chefsache. Konsequenterweise ist Kanzleramtschef Ronald Pofalla Koordinator der deutschen Geheimdienste. Was wusste er von der engen und möglicherweise ungesetzlichen Zusammenarbeit der deutschen Dienste mit der amerikanischen NSA? Und was wusste seine Chefin davon?

Die Antwort ist einfach: Sie wussten so viel, wie sie wissen wollten. Dass Pofalla sich als rechte Hand Merkels laufend über die Arbeit der Geheimdienste und neue Überwachungspraktiken informieren lässt, muss man annehmen - sonst wäre er fehl am Platz. Als Profi wird er auch wissen, wie liebend gerne Geheimdienstler über ihre Tätigkeit plaudern. Es kommt also darauf an, ob und wie hartnäckig bei denkbaren Verstößen gegen Grundrechte Pofalla nachgefragt hat. Und ob er eventuelle Bedenken geäußert und mit der Chefin besprochen hat.

Was immer passiert oder nicht passiert ist: Der Ball ist bei der Kanzlerin. Dass sie ihn nicht weiterspielen kann, dafür wird der Wahlkampf sorgen. Und das ist gut so. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 23.7.2013)