Die V2-Radln aus Milwaukee okkupierten für drei Tage die Donauinsel und am Sonntag für eine Runde den Ring, um mit Passanten 110 Jahre Harley zu feiern

"Ich steh auf Motorräder", erklärt die junge Dame im roten Rock und dem Marine-Shirt ihren Besuch bei den 5. Vienna Harley Days. In ihrer 50er-Jahre-Aufmachung sticht sie zwischen Ledergilets, Kutten, Patches und Harleys heraus wie eine Blume, die sich mitten auf der Landebahn eines Flughafens ihren Weg durch den Asphalt gebohrt hat. Ihr Freund trägt ein Harley-Davidson-T-Shirt, das sie ihm letztes Jahr von den Harley Days mitgebracht hat. "Ich bin da, weil ich auf sie stehe", sagt er, deutet auf die Blume und strahlt verlegen.

Foto: Guido Gluschitsch

Rund um die Reichsbrücke versammelten sich von Freitag bis Sonntag zigtausend Harley-Fahrer und Fans. Während zwei Männer ihr Motorrad mit einem Kübel Wasser und zwei Fetzerln putzen, werden sie von einem älteren Herrn, der ein KTM-Elektro-Fahrrad über das Festivalgelände schiebt, bestaunt. Dem Reiz der schweren Maschinen kann er nicht widerstehen. Er ist eigens deswegen hierhergefahren.

Foto: Guido Gluschitsch

Die beiden Putzmänner wundert das nicht. "Man braucht ein gewisses Alter, damit man eine Harley fahren kann", sind sie sich sicher. Aber es ist kein Reifungsprozess, den man in jungen Jahren durchmachen muss. Eine Harley muss man sich erst einmal leisten können. "Sie kostet viel Geld", erklärt der eine von beiden – vor allem wenn man sie erst einmal gekauft hat, denn "dann fangen die Umbauarbeiten an."

Foto: Guido Gluschitsch

Zwei gleiche Harleys, nein, die sollte es eigentlich nicht geben. Und eigentlich kann man davon ausgehen, dass "wenn so ein Junger, noch keine 30 Jahre alt, eine Harley fährt, dann weißt du genau, die hat der Vater gekauft."

Foto: Herwig Peuker

"Ich bin 23 Jahre alt und kann mir so ein Motorrad nicht leisten", erzählt ein anderer, der im Harley-Zelt gerade von einem der ausgestellten Eisen absteigt. Jetzt möchte er einmal den Führerschein machen - und dann, später, vielleicht, wenn es sich finanziell ausgeht ...

Foto: Guido Gluschitsch

Harley-Besitzer sind stolz. Nicht nur auf ihren Bock, auch darauf, dass er ihnen gehört. Gleich mehrere Besucher tragen deshalb nicht gerade bescheiden den Patch des "Owner Clubs". Einer von ihnen fährt mit seiner umgebauten Harley langsam, aber hörbar über das Gelände. Dabei scheint wichtig zu sein, dass die Füße immer am Boden schleifen. Hier möchte man nicht Stiefelabsatz sein. Vielleicht schreit einer von beiden ja bereits um Hilfe. Doch das hört man bei dem offenen Auspuff nicht.

Foto: Guido Gluschitsch

"Sehr wichtig", ist die Antwort von zwei Paaren auf die Frage, wie entscheidend der Lärm ist, den ein Motorrad macht. "Harley-Davidson, das ist eine Lebensphilosophie", sagt einer der beiden Männer. Er trägt ein leicht speckiges Ledergilet, das nahe legt, dass er Treasurer eines Clubs ist. Zur Philosophie von Harley-Davidson gehört es seiner Ansicht nach auch, dass man sich regelmäßig trifft, sich unterhält.

Foto: Guido Gluschitsch

Egal mit wem man spricht, einen sportlichen Aspekt hat das Fahren einer Harley-Davidson nie. Es geht ums Zusammensitzen, ums Umbauen, darum, welches Motorrad lauter ist, welches Eisen mehr gekostet hat. Viele der Jungs sehen grimmig bis furchterregend aus - aber sie alle tragen ein großes Herz in sich, das zu einem guten Teil für die Motorradmarke aus Milwaukee schlägt.

Foto: Guido Gluschitsch

Sie setzen das Wort Motorrad mit Harley-Davidson gleich - nicht umgekehrt, wie man es von Tempos für Taschentücher, Benco für Instant-Kakao oder Cappy für Orangensaft kennt. Angesprochen auf andere Motorradhersteller, tun sie so, als gäbe es gar nichts anderes als die "Vibratoren aus Milwaukee. Ach so, die Nähmaschinen ..."

Foto: Guido Gluschitsch

Entsprechend laut war es dann in Wien, als ein Tross aus hunderten Harleys von der Reichsbrücke aus aufbrach, um eine Runde über die Ringstraße zu fahren. Die Polizei fuhr voraus, gleich dahinter zwei US-Police-Harleys - mit rotem Drehlicht und Sirene. Offene Endtöpfe duellieren sich mit Hupen, Sirenen, verbauten Radios und kreischenden Sozias.

Foto: Guido Gluschitsch

Die Zuschauer, die auf dem gesamten Weg von der Reichsbrücke über den Ring und wieder zurück zur Reichsbrücke Spalier stehen, sind jedenfalls begeistert, jubeln und winken. Einige Anrainer und Autofahrer, die wegen der gesperrten Straße warten mussten, fragten sich aber sicher, welchen Sinn das Ganze hat. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 22.7.2013)

Foto: Herwig Peuker