Udo Huber mit den sechs Medaillen, die er bei den World Sport Games in Bulgarien holte. Er lässt die Kirche im Dorf. "Über 200 m Delfin war ich der einzige Teilnehmer."

Foto: Hansjörg Kössler

Andau - Bei den Katzen von Andau hat es sich schon herumgesprochen. "Geh zu den Hubers, dann geht es dir gut", sagt eine Andauer Katze zur anderen. Und so sitzt immer wieder eine Katze vor der Huber-Haustüre und raunzt, dann geht die Türe auf, und die Katze kriegt, was sie wollte, Kost und Logis. Vier Katzen hatten schon Unterschlupf gefunden bei den Hubers, derzeit sind es drei, Puppi, Ginger und Ogi. Die vierte, Kami (weil Nachname: Katze), ist vor drei Wochen verschwunden. "Sie war immer eine Strawanzerin", sagt Udo Huber, "jetzt ist sie wohl endgültig weg."

Huber sitzt im schattigen Garten seines Hauses in der 2300-Einwohner-Gemeinde am Nordwestrand der Pannonischen Tiefebene. Er spricht von den Katzen und von der Ehre, die es sei, Teil einer gewissen Serie zu sein - und sei es der 62. Teil. "Der große Spitzensportler war ich ja nie." Aber - allerweil. Huber zählte Anfang der 70er zu den besten Schwimmern des Landes, war Mitglied des Nationalteams. 200 Meter Delfin war seine Strecke, er schaffte etliche Wiener Meistertitel, Staatsmeisterehren sind sich knapp nicht ausgegangen.

"Ich bin als Kind im Jörgerbad entdeckt worden", sagt Huber. Und phasenweise hat er ordentlich trainiert. Ordentlich, das hieß aufstehen um fünf, Sprung ins Schönbrunner Bad um sechs. Phasenweise, das heißt: "Ich hab's halt nicht immer geschafft. Hab mir schwer damit getan, mich so zu disziplinieren, wie es nötig gewesen wäre."

Master statt Senioren

Die Trainingslager am Faaker See und die Reisen zu Turnieren waren schon ein Spaß. "Mit einigem waren wir sicher früher dran als andere, schließlich fuhren immer auch Mädels mit." Doch der Mensch lebt natürlich nicht allein von Wasser und Liebe, mit 18 warf Udo quasi das Handtuch. Dass er mit dem Schwimmen abgeschlossen hätte, kann man aus heutiger Sicht freilich nicht behaupten. "1995 hat mich einer angerufen und gefragt, ob ich nicht wieder schwimmen will - Masters-Events. Das klingt gar nicht schlecht, finde ich, das ist eine schöne Umschreibung für Seniorenturniere."

Seit acht Jahren ist Udo Huber wieder am Schwimmen. Mit viel größerem Erfolg als früher, weil die Konkurrenz viel kleiner ist. Bei den Masters wird in Altersklassen eingeteilt, alle fünf Jahre steigt man auf. Huber, der heuer einen Runden feierte, schwimmt also seither in der AK 60. Von den World Sport Games des Askö-Weltverbands in Varna, Bulgarien, kehrte er kürzlich mit sechs Goldmedaillen zurück. Wobei er selbst die Kirche im Dorf lässt. "Über 200 Meter Delfin war ich in meiner Altersklasse der einzige Teilnehmer. Es gibt ja heute kaum noch 30-Jährige, die sich 200 Meter Delfin an- tun." Von 60-Jährigen ganz zu schweigen.

Training statt Schlammbad

Zwei, drei Monate vor großen Wettkämpfen beginnt Udo Huber ordentlich zu trainieren. Ordentlich, das bedeutet fünf Tage pro Woche, zwei bis drei Kilometer am Tag. Und zwar in der Südstadt. Für gutes Training braucht es ein gutes Becken, der Badesee von Andau und auch der Zicksee, in dem Herr Huber ab und zu Schlammbäder nimmt, kommen eher nicht infrage. Huber sagt: "Ich brauche immer ein Ziel, sonst tu ich nichts." Und: "Man muss dem Körper zeigen, dass er vom Geist beherrscht wird."

Ans Hin- und Herfahren haben sich der Körper und der Geist längst gewöhnt. Huber war Präsident des Wiener Sportklubs und als solcher bei fast allen Heim- und Auswärtsspielen. "Allein für den Sportklub bin ich 15.000 Kilometer im Jahr im Auto gesessen." Im April hat er nach fünf Jahren abgedankt, im Klub hatten sich einige gegen ihn gestellt. "Ich hab immer gesagt, dass ich aufhöre, wenn das passiert." Er werde, wenn ihm danach sei, weiterhin dem Sportklub zusehen, schließlich sei er ein Dornbacher Urgestein. "Und ansonsten kann ich mich ja vielleicht um den FC Andau kümmern." Der ist immerhin schon von der allerletzten oder auch "Schilfliga" in die vorletzte Liga aufgestiegen.

Eine Grenzerfahrung

Ganz wenige Menschen wissen, dass sich Udo Huber 2010 auch die Crocodile Trophy, das beinharte Mountainbikerennen in Australien, gegeben hat. "Eine Grenzerfahrung." Wobei er sich vorstellen kann, das Erlebnis zu wiederholen. Wenige Menschen kennen ihn als Schwimmer, einige kannten ihn als Sportklub-Präsidenten. Den meisten ist er aus den 80ern und aus seiner ORF-Zeit ein Begriff. Huber moderierte 17 Jahre lang die Ö3-Hitparade, zehn Jahre lang "Die Großen Zehn" im TV. "Mit mir", sagt er, "sind Generationen aufgewachsen." Es war die Zeit von Kassettenrecordern, junge Hörer drückten auf "REC" und ärgerten sich, wenn der Moderator über die Schlusstöne redete.

Huber hatte Theaterwissenschaft studiert, aber nicht fertig, und 1974 in der Hörfunk-Kultur begonnen. Seine erste "Mittagsjournal"-Geschichte war ein Gespräch mit Volkstheater-Direktor Gustav Manker über den Spielplan der Saison 1974/75. Bald übersiedelte Huber zu Ö3, wo es mehr zu tun gab. Der Rest ist Geschichte. Sie endete 1997 und ziemlich abrupt. Dass einige meinten, er habe sich abgenutzt, hat den Mister Hitparade nicht sehr überrascht. Dass man ihm keine Alternative anbot, überraschte ihn sehr.

Eine Rückkehr

Umso mehr freute er sich 2012 über seine Rückkehr, die ihm auf Radio Wien eine Sonntagssendung bescherte. "Ich erzähl Schmankerln aus der jüngeren Musikgeschichte", sagt er. "Aus Telefonprotokollen weiß ich, dass sich die Leute freuen, meine Stimme zu hören. Es gibt schlimmere Schicksale, als der Mister Hitparade zu sein und zu bleiben." Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist, das gilt fürs Schwimmen wie fürs Moderieren. Huber moderiert nicht nur auf Radio Wien, sondern kleinere und größere Feste, in Autohäusern, Diskos, wo auch immer. Wenn der Landeshauptmann seine traditionelle Radtour in Andau beendet, dann heißt ihn Udo Huber willkommen.

Udo und Edith, seit 1985 verheiratet, sind vor fünf Jahren ins Burgenland gezogen. Sohn Marcus war längst aus dem Haus, der 28-Jährige ist Quantenphysiker und nach einem Aufenthalt in Bristol nun in Barcelona tätig. Nach einem Haus hatten Udo und Edith eher im Wienerwald gesucht, auf Andau stießen sie im Internet. Es war Liebe auf den ersten Blick. Das Huber-Haus ist vor hundert Jahren ein Kindergartenhaus und in jüngerer Vergangenheit das Doktorhaus gewesen. Eingelebt hat man sich längst und gut. "Ich geh ja auch zum Wirten auf einen Gspritzten oder zwei", sagt Huber. "Ich schließe mich nicht vom Dorfleben aus."

Das Haus ist zweigeschoßig, es bleibt in der ärgsten Sommerhitze kühl, bietet ausreichend Platz. Die eine Vitrine mit den vielen, vielen Schwimmmedaillen geht sich ganz locker aus, zur Not lässt sich noch eine zweite Vitrine eröffnen. Im Oktober wird um österreichische Masters-Titel sowie um Askö-Titel geschwommen. Und wenn wieder einmal eine Katze vor der Tür sitzt und raunzt, auch kein Problem. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 21.7.2013)