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David Gross ist in Sachen Weltformel optimistisch: "Wir kommen der Lösung näher."

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

Bregenz - Der nobelpreisgekrönte US-Physiker David Jonathan Gross glaubt weiter daran, dass eine Weltformel ("theory of everything"), die alle bekannten Phänomene allumfassend erklärt, gefunden werden kann. "Je mehr wir wissen, umso mehr nimmt auch unser Unwissen zu, dennoch werden wir klüger", begründete Gross seine Hoffnung bei der Veranstaltung "B13 - Vision of the Future" im Bregenzer Festspielhaus. Größte Gefahr für das Fortschreiten in unserem Verständnis, was die Welt im Innersten zusammenhält, sei, dass unser Wille, zu verstehen, erlahme oder die Mittel dazu nicht ausreichten.

"Wir verstehen noch immer nicht, was die Stringtheorie ist", bekannte Gross, der 2004 gemeinsam mit Frank Wilczek und David Politzer den Nobelpreis für Physik erhielt. Man müsse sich angesichts der Vielzahl an offenen Fragen überlegen, ob die Menge an Nicht-Wissen unendlich sei. So könnte es aus dem Nicht-Wissen heraus Fragen geben, die nicht gestellt würden. Im Mittelalter habe man beispielsweise keine Fragen nach Amerika stellen können, weil man davon noch nichts wusste, zog Gross einen Vergleich zur geografischen Erkundung der Welt.

"Unser Weltverstehen ist begrenzt - vielleicht zu begrenzt"

Man müsse auch in Betracht ziehen, dass der Mensch "zu dumm" sein könnte, etwa wenn es um das Verständnis der Dynamik von Raum und Zeit gehe. "Wir sind ein Produkt der Evolution. Unser Weltverstehen ist begrenzt - vielleicht zu begrenzt, um die wahre Natur von Raum und Zeit zu erfassen", sagte Gross. Er glaube jedoch nicht daran, denn die Sprache, und darunter die Mathematik als höchste Form, die uns von anderen Wesen unterscheide, habe "unendliche Kapazitäten". Zudem gebe es bisher keine Hinweise darauf, dass man unnennbaren Fragen gegenüber stehe. "Wir kommen der Lösung näher", zeigte sich Gross überzeugt.

Fortschritte auf dem Weg zu einer Weltformel erwartete sich Gross etwa von den CERN-Experimenten. Bis zur Vereinheitlichung der vier Grundkräfte Elektromagnetismus, schwache und starke Wechselwirkung zwischen den Elementarteilchen sowie Gravitation sei es noch ein langer Weg. Bisher basierten die Annahmen dazu auf Beobachtungen des Kosmos. Die heute für am wahrscheinlichsten gehaltene Hypothese, dass rund 75 Prozent der Energie im Universum Dunkle Energie und 21 Prozent Dunkle Materie sein dürften - was bedeutet, dass derzeit nur vier Prozent der Materie erklärbar sind - war eine "große Überraschung", die noch mehr Fragen aufwerfe.

Gross wurde 1941 in Washington D.C. geboren und wuchs teilweise in Israel auf. Er beschloss nach eigenen Angaben bereits mit 13 Jahren, Theoretischer Physiker zu werden. 2004 erhielt er für die Entdeckung der "asymptotischen Freiheit in der Theorie der starken Wechselwirkung" den Physik-Nobelpreis. Die Starke Wechselwirkung hält die Quarks zusammen, kleinste Materie-Bausteine, aus denen Protonen und Neutronen aufgebaut werden. In den frühen 1980er-Jahren entwickelte Gross gemeinsam mit anderen eine von fünf Stringtheorien. Seit 1997 wirkt Gross als Professor an der University of California in Santa Barbara. (APA/red, derStandard.at, 21. 7. 2013)