Erwin Pröll: "Da braucht es vielleicht ein wenig Humor und Schmäh, um die Leute für die Politik zu interessieren."

Foto: Der Standard/Hendrich

"Ich bin viel lieber in der realen Welt und nicht in der virtuellen Welt."

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"An Faymanns Stelle hätte ich die Frau Schmied längst in Pension geschickt."

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STANDARD: Würden Sie Edward Snowden Aysl geben? Der war fast schon in Niederösterreich, er wurde in Schwechat vermutet.

Pröll: Gott sei Dank stellt sich diese Frage nicht. Das wäre nicht unbedingt dienlich, wenn wir in einen derartigen Konflikt zwischen den großen Mächten eingreifen.

STANDARD: Haben Sie das niederösterreichische Landhaus schon auf Wanzen untersuchen lassen?

Pröll: Wir lassen das regelmäßig untersuchen. Ich glaube aber nicht, dass Niederösterreich so wichtig ist, dass es von internationalen Kräften abgehört wird.

STANDARD: Von internationalen Kräften vielleicht nicht, aber von Wien aus?

Pröll: Das mag schon sein. Aber das, was Wiener Regierungskreise wissen sollen, das sag ich ihnen ohnedies sehr klar, da brauchen sie mich nicht abhören.

STANDARD: Wie halten Sie es mit dem Internet? Es gibt eine Erwin-Pröll-Seite auf Facebook, die ist aber schon länger nicht aktualisiert worden.

Pröll: Das ist keine Seite von mir. Die virtuelle Welt wird von vielen Politikern so genutzt, dass sie das gar nicht selber betreiben, sondern betreiben lassen. Bevor ich so etwas tue, lasse ich es überhaupt. Ich bin viel lieber in der realen Welt und nicht in der virtuellen Welt.

STANDARD: Bei dieser Facebook-Seite sind als verwandte Seiten die Styria und die "Niederösterreichischen Nachrichten" angeführt. Reicht Ihr Einfluss in die Medien tatsächlich so weit?

Pröll: Absolut nicht. Manches Mal hat man die Tendenz, dass man sich sagt, es wäre schön, auch in der Medienwelt Einfluss zu haben, aber das spielt's nicht, Gott sei Dank. Ich halte das für sehr wichtig, dass Medien und Politik eine gewisse Distanz wahren.

STANDARD: Da stellen Sie Ihr Licht jetzt unter den Scheffel.

Pröll: Das glaub ich nicht.

STANDARD: In Niederösterreich ist vom Pröll-Funk die Rede, wenn man über den ORF spricht.

Pröll: Das ist nicht die reale Welt.

STANDARD: Sie hatten einmal ein sehr gutes Verhältnis zu Kanzler Werner Faymann, das ist dann dramatisch abgekühlt, zuletzt hatten Sie keine sehr gute Meinung von ihm. Ist das nach wie vor so?

Pröll: Es stimmt, wir hatten früher einen sehr guten Kontakt. Dann hat es einen ordentlichen Konflikt in Zusammenhang mit der Bildungspolitik gegeben. Da war die Beziehung sehr abgekühlt. Aber dann war es so, wie es unter Politikern sein soll: Wir haben uns ausgesprochen. Wir haben diesen Konflikt bereinigt. Es ist jetzt ein korrektes Arbeitsverhältnis, das gelegentlich ausgezeichnet ist durch halbprivate Treffen zu einem Mittag- oder Abendessen, wo wir uns über wichtige Dinge austauschen.

STANDARD: Wie geht es Michael Spindelegger damit?

Pröll: Sehr gut. Das wäre ja das Schlimmste, wenn der Bundeskanzler und der Landeshauptmann von Niederösterreich keinen Kontakt haben dürften. Mit dem Vizekanzler mache ich das mindestens so intensiv, da kommt natürlich noch die parteipolitische Facette hinzu.

STANDARD: Spindelegger hat Faymann unlängst die Eignung abgesprochen, ein guter Kanzler zu sein. Wie sehen Sie das?

Pröll: Das ist nichts Ungewöhnliches, dass sich in einer Wahlkampfphase die Fronten klären und dass es pointierter wird. Das darf aber nicht heißen, dass einem der persönliche Respekt abhandenkommt. Die Gefahr sehe ich im konkreten Fall nicht.

STANDARD: Wie geht es Ihnen damit, dass die nächste Regierung voraussichtlich so ausschauen wird wie die jetzige?

Pröll: Ich bin ein Verfechter, dass es wieder eine Zweierregierung gibt, und natürlich wäre es mir lieber, einen ÖVP-Bundeskanzler zu haben. Ideal wäre es natürlich, dass die beiden Großparteien eine Zweidrittelmehrheit zustande brächten.

STANDARD: Da sind sie weit davon entfernt, das wird nicht stattfinden.

Pröll: Das weiß ich. Aber es hat sich gezeigt, dass bei derartigen Konstellationen, die sehr fragil sind, die Opposition immer mehr blockiert. Die Oppositionsparteien haben kein Interesse daran, dass staatspolitisch etwas weitergeht, deren Interesse ist es, sich über Fehler und mangelnde Erfolge der Republik nach oben zu schupfen. Einen konstruktiven Beitrag leisten sie nicht.

STANDARD: Von einem dritten Partner in der Regierung, auch wenn das von den Mehrheitsverhältnissen gar nicht notwendig wäre, halten Sie nichts?

Pröll: Ich hoffe sehr, dass am 29. September die beiden Großparteien ein Wahlergebnis einfahren, das deutlich über 50 Prozent liegt, um ja nicht von irgendwelchen Dritten abhängig zu werden. Es ist schon zwischen zwei Partnern schwierig genug.

STANDARD: Den Grünen trauen Sie da auch nicht über den Weg?

Pröll: Die Grünen haben in letzter Zeit überhaupt keinen konstruktiven Ansatz gezeigt. Es gibt eine einzige Ausnahme. Das ist der Herr Anschober in Oberösterreich. Aber eine Schwalbe macht noch lange keinen Sommer.

STANDARD: Hat die ÖVP überhaupt eine Chance, Erster zu werden?

Pröll: Ja, ich glaube schon. Spindelegger hat es gesagt: 2013 wird das Jahr der ÖVP. Das ist bis zum jetzigen Zeitpunkt eingetroffen.

STANDARD: Die ÖVP hat bei allen Wahlen prozentmäßig verloren.

Pröll: Bei all diesen Landtagswahlen zusammen hat die ÖVP 740.000 Stimmen eingefahren, die SPÖ nur 440.000. Mit diesem Verhältnis könnte ich auf Bundesebene gut leben. Wenn ich nach Niederösterreich schaue, bin ich sehr zuversichtlich: Wir haben eine sehr positive Grundstimmung für die ÖVP, da kann man aufbauen.

STANDARD: Was müsste die ÖVP auf Bundesebene jetzt noch tun, um mehr Dynamik in diesen Wahlkampf zu bringen?

Pröll: Die ÖVP startet mit dem Vizekanzler sehr gut in den Wahlkampf. Zunächst einmal sehr sachbezogen einige Themen aufbereiten, dann wird es auch notwendig sein, Emotion in den Wahlkampf zu bringen. Da braucht es vielleicht ein wenig Humor und Schmäh, um die Leute für die Politik zu interessieren.

STANDARD: Spindelegger ist nicht als Charismatiker verschrien, von dem man sich Humor und Schmäh erwarten würde.

Pröll: Michael Spindelegger muss kein Entertainer sein. Das große Asset des Vizekanzlers ist Seriosität. Alle, die mit ihm schon zu tun hatten, wissen: Dem Mann kann man vertrauen.

STANDARD: Die Redlichkeit spricht ihm ja keiner ab. Es geht darum, ob er die Leute mitreißen kann.

Pröll: Ich habe schon genug Reden des Vizekanzlers gehört, die auch mit Humor gespickt waren und fasziniert haben.

STANDARD: Bei der Rede zur Lage der Nation hat vor Spindelegger Sebastian Kurz gesprochen. Der war besser.

Pröll: Es ist ein Unterschied, in welcher Rolle jemand aufzutreten hat. Kurz hatte die Rolle, Aufmerksamkeit zu erregen und diese dann auf den Staatspolitiker, der nach ihm kommt, zu fokussieren. Diese Arbeitsteilung hat funktioniert.

STANDARD: Zuletzt hat Justizministerin Beatrix Karl nicht gerade geglänzt. Wie fanden Sie ihre Performance beim Krisenmanagement nach der Vergewaltigung eines 14-Jährigen im Gefängnis?

Pröll: Was da vorgekommen ist, ist zutiefst zu verurteilen. Ich weiß natürlich, dass jeder Minister für all das, was in seinem Bereich passiert, verantwortlich ist. Nur wissen Sie: Gibt es einen Politiker, der in Ihrem Medium noch nie in die Kritik gekommen ist?

STANDARD: Dennoch: Wie fanden Sie das Krisenmanagement?

Pröll: Ich will da nicht urteilen. Man kann immer besser werden.

STANDARD: Mit Niki-Berlakovich gibt es noch einen zweiten Minister in der ÖVP-Regierungsmannschaft, der einigermaßen lädiert ist. Ist das nicht eine Belastung, mit dieser Mannschaft in die Auseinandersetzung gehen zu müssen?

Pröll: Wenn es nach der Anzahl der Minister geht, die in Ihren Augen keine optimale Rolle spielen, dann müsste die ÖVP die Wahl schon gewonnen haben. In der SPÖ wüsste ich mehr als nur zwei, die keine optimale Rolle spielen und das nicht erst seit kurzem.

STANDARD: Wer zum Beispiel?

Pröll: Wenn ich Bundeskanzler wäre, an Faymanns Stelle hätte ich die Frau Schmied schon lange in Pension geschickt. Für einen Minister ist es zu wenig, immer nur zu sagen, die Gewerkschaft steht mir im Weg. Wenn dem so wäre, dann würde die Sozialpartnerschaft in Österreich schon lange nicht mehr funktionieren. Dass sich Faymann und Spindelegger in die Verhandlungen mit den Lehrern einschalten müssen, ist der beste Beweis für das Versagen der Ministerin.

STANDARD: Was halten Sie von der Idee, die der Vizekanzler ventiliert hat, ein Hearing für potenzielle Minister abzuhalten?

Pröll: Ich habe hier einen sehr klaren Standpunkt: Personalentscheidungen sind Chefsache. Bei dem bleibe ich auch, denn letztendlich muss der, der die Entscheidungen trifft, auch die Verantwortung tragen. Aber das erübrigt ja nicht Gespräche in der Folge.

STANDARD: Apropos Chefsache. In der ÖVP reden ja viele mit, in erster Linie Sie, die Bundesländer, die Bünde. Ist das noch eine moderne Struktur für eine Partei? Sollte man dem Parteichef nicht mehr Durchgriffsrechte zugestehen?

Pröll: Wollen Sie die Diktatur, oder wollen Sie die Demokratie? Wenn Sie die Demokratie wollen, dann muss es auch recht sein, dass auf möglichst breiter Ebene die Entscheidungsträger versuchen, ein gemeinsames Ganzes zu finden. Das ist in der ÖVP der Fall. Natürlich mit heftigen Diskussionen, aber die Demokratie lebt von der Diskussion. Entscheidend ist, dass ab einem bestimmten Punkt einer zu sagen hat, wo es langgeht.

STANDARD: Wer ist das in der ÖVP? Sie?

Pröll: Der Vizekanzler und der Chef dieser Partei.

STANDARD: Finden Sie nicht, dass der Bauernbund eine zu mächtige Rolle einnimmt?

Pröll: Nein. Ich weiß nicht, woher Sie das ableiten. Ich komme selber aus dem Bauernbund. Es ist nicht die Frage, woher jemand kommt, sondern die entscheidende Frage ist, wohin jemand geht. (Michael Völker, DER STANDARD, 20.7.2013)