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"Was wollen die Nutzer?" Diese akademische Frage wäre bei der chinesischen Geisterstadt Ordos mehr als angebracht gewesen. In der geplanten Millionenretorte leben heute nur 30.000 Menschen.

Foto: Reuters/DAVID GRAY

Wien – Die Technische Universität Wien bot den Rahmen für ein außergewöhnliches Immobilien-Event, und zwar für die 20. Jahreskonferenz der European Real Estate Society (ERES). Sinn und Zweck der Sache: ERES will Immobilienwissenschaft und Immobilienwirtschaft stärker vernetzen und dabei auch die Immobilienforschung nach vorn katapultieren. Zudem steht der akademische Austausch auf dem Programm. 

Alljährlich im Sommer treffen einander sowohl Mitglieder als auch Interessierte in einer europäischen Universitätsstadt und diskutieren für ein paar hitzige Tage. Diesmal war es eben die TU Wien, wo sich vom 3. bis zum 6. Juli 360 Teilnehmer aus 42 Ländern trafen. Schon die Zahl der Länder erklärt, dass die Besucher nicht nur aus Europa, sondern aus der ganzen Welt kamen – unter anderem aus Australien, Brasilien, China, Ghana, Ruanda, Russland sowie aus der Türkei, den Vereinigten Staaten und den Vereinigten Arabischen Emiraten. 

Austausch mit Kollegen aus aller Welt

Kein Wunder, bildet doch die ERES gemeinsam mit den Immobiliengesellschaften der anderen Kontinente gemeinsam die IRES, die International Real Estate Society. Weniger geht es den Mitgliedern dabei um regionale Abgrenzungen als vielmehr um die Möglichkeit, ihre Papers zu präsentieren und sich mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt auszutauschen. 

So ist es halt, das akademische Leben. Auch das immobilienwissenschaftliche. Es geht um Publizität und damit auch um Publikationen. Ob solche Papers nun in Wien, Edinburgh, San Diego oder Christchurch in Neuseeland "accepted" sind, ist heute nicht mehr so entscheidend wie noch vor wenigen Jahren. Mit mehr als 250 solcher Präsentationen, ergänzt um Vorträge und Podiumsdiskussionen, bot die Wiener Konferenz alles, was in der Immobilienwirtschaft eine Rolle spielt – oder spielen könnte. 

Die Spannweite der wissenschaftlichen Arbeiten reichte von Service Perspective in Real Estate Management. A Study of the Swedish Real Estate Industry bis hin zu The Interaction between the Sub-Market Turnover Ratios and Prices in Taiwan. Mit unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten beschäftigten sich etwa Covered Bonds as a Source of Financing Residential Properties in Poland und The Problems of Real Estate Financing in the Post-Crisis Period in Slovakia

Wertvolle Innenansichten

Zu den Beiträgen aus Österreich gehörte unter anderem What do Occupants want? Selected Results from a Field Survey carried out in Austrian Residential and Office Buildings – eine wertvolle Innensicht der Dinge, die in der klassischen, nichtakademischen Immobilienwirtschaft allzu missachtet wird. Überhaupt zeigte sich, dass die Verbindung von Forschung und Lehre mit dem täglichen Geschäftsleben der Immobilienmenschen in den meisten Fällen mehr Wunsch als Wirklichkeit ist. 

Schade eigentlich. Denn von wissenschaftlich minutiös aufbereiteten Themen wie etwa Are
there rational Bubbles in REITs? New Evidence using a complex System
oder Changes in the Asset Mix of (Institutional) Investors, die durchaus mit Beispielen aus der Praxis hinterlegt sind, könnten wir alle etwas lernen. Vor allem, was das strategische Agieren in der Immobilienwirtschaft betrifft. 

Und da ist auch die größte Kritik: Ein paar Teilnehmer aus der Immobilienwirtschaft hätten der Veranstaltung auf der TU Wien gutgetan – gar nicht zu sprechen vom umgekehrten Fall. Mehr intellektuelle, kulturelle Auseinandersetzung in der Immobranche wäre auch kein Fehler. 

Über die Spezialimmobilie Universität konnten sich die Teilnehmer nicht nur in der Präsentation Asset Management of Polish Universities, sondern auch in der Praxis informieren. Nach langen Tagen in Hörsälen und Seminarräumen stand an einem Abend die Besichtigung des neuen, fast fertiggestellten WU-Campus im Prater auf dem Programm. (Andreas Schiller, DER STANDARD, 20./21.7.2013)