Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hat in seinem diesjährigen Weltdrogenbericht die "Neuen Psychoaktiven Substanzen" (NPS) zu einer der derzeit größten Herausforderungen im behördlichen Umgang mit Rauschmitteln erkoren.

Als NPS definiert das Büro Substanzen, deren Illegalität bisher nicht in internationalen Abkommen festgeschrieben steht, sondern jeweils einzeln nationalstaatlich geregelt ist. Die Anzahl der von Mitgliedsstaaten gemeldeten NPS ist demnach zwischen 2009 und 2012 um 50 Prozent gestiegen. Das UNODC geht bei diesen Rauschmitteln von ernst zu nehmenden gesundheitlichen und gesellschaftlichen Gefahren aus, weil ihre Wirkungen oft noch nicht abschließend erforscht sind.

Bei den meisten NPS handelt es sich um synthetische, also in Chemielabors hergestellte Stimulanzien. Nur eine der sieben NPS-Gruppen bilden "Pflanzenbasierte Psychoaktive Substanzen". Die Kaudroge Kath zählt in dieser Gruppe zu den weltweit aufstrebendsten Arten. Am Horn von Afrika dominiert die Pflanze seit Jahrtausenden als Anregungs- und Rauschmittel den Alltag.

Der Kathstrauch, auch in den Formen Khat, Kat, Qat, Ghat, Chat und Miraa bekannt, ist ein Spindelbaumgewächs und trägt den wissenschaftlichen Namen Catha edulis. Die Pflanzen erreichen in der Regel eine Höhe von fünf bis zehn, in Ausnahmefällen von bis zu zwanzig Metern. Das Hauptanbaugebiet ist das Horn von Afrika, also der keilförmige Ostteil des Kontinents, und der Jemen auf der gegenüberliegenden Südspitze der Arabischen Halbinsel. Von hier stammt ein weiterer Beiname: Arabischer Tee.

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In den Blättern und den weichen Zweigspitzen der Pflanze befinden sich mehrere Wirkstoffe, hauptsächlich die amphetaminähnlichen Verbindungen Cathinon (C9H11NO) und in geringerem Ausmaß Cathin (C9H13NO). Durch das Zerkauen der bittersüßen Pflanzenteile stellt sich beim Menschen eine Art Euphorie ein. Je nach Weltbild wird die Erregung beschrieben als "leichtes Wohlgefühl, ähnlich einem starken Kaffee" oder "wie Heroin, das junge Menschen verleitet, Leute zu erschießen".

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Bestimmt wird die Stärke des Rausches jedenfalls durch die Menge und die Dauer des Kauens. Die Wirkstoffe gelangen durch Mund- und Magenschleimhaut in die Blutbahn. Die Serotonin- und Adrenalinausschüttung werden erhöht, dadurch steigen Blutdruck und Kommunikationsbedürfnis, während Appetit und Müdigkeit nachlassen. Dieser Zustand tritt nach einer viertel bis halben Stunde ein und hält bis rund zwei Stunden nach dem Konsum an.

Die Gefahr physischer Abhängigkeit gilt als gering. Die möglichen Folgen für Langzeitanwender sind umstritten, genannt werden Schlafstörungen, leichte Depressionen, Mundhöhlenkrebs, Herz- und Lebererkrankungen.

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Am Horn von Afrika und auf der Arabischen Halbinsel tun die möglichen Auswirkungen dem jahrtausendealten gesellschaftlichen Brauch keinen Abbruch. Mehr denn je setzen sich vor allem Männer in den heißesten Stunden des Tages zusammen in den Schatten oder in eigens dafür eingerichtete Lokale, um den morgens geernteten Kath zu kauen. Den Flüssigkeitshaushalt gleichen sie mit großen Mengen Tee aus.

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In den Ursprungsregionen ist der Kathanbau zum lukrativen Geschäft geworden. Im niederschlagsarmen Jemen, wo nach Schätzungen die Hälfte bis drei Viertel der Einwohner zumindest gelegentlich auf den Blättern kauen, beanspruchen die Kathplantagen heute über vierzig Prozent des Wasserverbrauchs. Der Anbau von Getreide lohnt sich für die Bauern kaum mehr, da Kath mindestens den zehnfachen Ertrag einbringt.

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Für den Jemen wird angenommen, dass die regelmäßigen Nutzer zwischen einem Zehntel und einem Viertel ihres Einkommens für Kath ausgeben. In Äthiopien kostet ein Büschel den Wochensold eines Tagelöhners oder mehr. Trotzdem warten viele jeden Tag ungeduldig auf die mittäglichen Marktlieferungen.

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In Äthiopien gilt Kath heute nach Kaffee als zweitwichtigstes Exportgut. Über 100 Millionen US-Dollar (75 Millionen Euro) betragen die Einnahmen nach Schätzungen jährlich. Die größten Abnehmer sind Nachbarstaaten wie Djibouti oder Somalia. In Kenia, wo Kath mittlerweile Cannabis als meistgenutztes illegales Rauschmittel verdrängt hat, sollen über 54 Prozent aller ausgeführten Frischprodukte Zweige von Catha edulis sein.

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In Großbritannien, dem größten außerafrikanischen Empfänger, verlangen vor allem Auswanderer nach den Blättern aus der Heimat. Weil die Pflanzenteile ihre Wirkstoffe schon ein bis drei Tage nach der Ernte verlieren, wird der Vertrieb durch Kühlketten und Luftfracht zunehmend professionalisiert und dadurch auch international möglich.

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Der Export in das Vereinigte Königreich ist derzeit noch kein Problem. Nach einer Entscheidung der konservativen Innenministerin Theresa May von Anfang Juli aber wird Kath demnächst als Class-C-Drug eingestuft und damit verboten. May überstimmte ihr eigenes Beratungskomitee ACMD (Advisory Council on the Misuse of Drugs), das im Jänner bekannte: "Kath bewirkt einen milden, stimulierenden Effekt und es gibt keine Hinweise auf Gesundheitsprobleme oder Verbindungen zum organisierten Verbrechen."

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Als Grund für die Prohibition gibt May an, dass Großbritannien ansonsten zur Drehscheibe des illegalen Kathhandels in Europa und Nordamerika werden könnte. In den USA, Kanada und vielen europäischen Staaten ist die Pflanze nämlich schon verboten. Umso stärker konzentrierte sich der Export bisher auf London: Laut dem Abgeordneten Mark Lancaster erreichen wöchentlich zehn Tonnen Kath die britische Hauptstadt.

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Auch in Österreich sind Handel, Besitz und Konsum von Kath nicht erlaubt, denn Cathinon ist in Anhang V der Suchtgiftverordnung aufgelistet. Österreich steht damit in einer Linie mit der Mehrzahl der EU-Staaten, auch Deutschland verbietet das Kathkauen per Betäubungsmittelgesetz. Als eines der letzten Länder untersagten die Niederlande im Jänner des Vorjahres ihren Bürgern den Umgang mit der Pflanze.

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Mitstreiter im Kampf gegen das immergrüne Gewächs finden die westlichen Demokratien in islamistischen Despotien. In Somalia, wo Kath eine lange Tradition hat und von staatlicher Seite erlaubt ist, verbrannten radikalislamische Milizen in jüngerer Vergangenheit immer wieder öffentlichkeitswirksam Pflanzen. Auf Demonstranten ließen die Warlords, die de facto ganze Landstriche regieren, mehrfach das Feuer eröffnen. Gleichzeitig sollen sie in schnöder Bigotterie mit dem Kathhandel ihren Machterhalt finanzieren und zementieren.

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Auch im Jemen versuchen Al-Kaida-nahe Milizen, die Angewohnheit aus dem öffentlichen Leben zu beseitigen. Ob der Kathkonsum in islamisch geprägten Ländern erlaubt ist oder nicht, hängt meist von der Interpretation der jeweils herrschenden Lehre ab. In Saudi-Arabien ist er "harām", also tabu, und wird mit körperlicher Züchtigung bestraft. Trotzdem sollen jährlich zehntausende Tonnen an frischem Kath aus dem Jemen in das Königreich im Norden geschmuggelt werden.

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Die große Nachfrage nach dem "grünen Gold" auf der Arabischen Halbinsel erkannte bereits der englische Schriftsteller Charles Dickens. 1856 schrieb er: "Es wird von den Arabern häufig genutzt, denen es per Kamelladungen in kleinen Paketen geschickt wird, die etwa vierzig schlanke Zweige enthalten, alle mitsamt Blättern sorgfältig verpackt, damit sie an der Luft nicht austrocknen. Rund zweihundertachtzig Kamelladungen werden jedes Jahr allein in Aden verbraucht." (Michael Matzenberger, derStandard.at, 24.7.2013)


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