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Stellevertretender NSA-Direkter John Inglis (ganz rechts) vor einem Kongress-Ausschuss.

Foto: AP Photo/Jacquelyn Martin

Wenn er will, kann Lindsey Graham mit feinem Gespür fürs praktisch Machbare an Gesetzen feilen wie zuletzt im Fall der Einwanderungsreform, für die der Republikaner aus South Carolina in pragmatischem Ton wirbt. Manchmal ist er aber auch der Hardliner vom Dienst, wie jetzt in der Causa Edward Snowden. Da klingt Graham, als habe er eine Zeitreise rückwärts unternommen, zurück in den Kalten Krieg. Die USA, verlangt der wortgewaltige Südstaatler, sollten darüber nachdenken, 2014 die Olympischen Winterspiele in Sotschi zu boykottieren, so wie sie 1980 aus Protest gegen den Sowjet-Einmarsch in Afghanistan aus Moskau fernblieben.

"Ich liebe Olympia, aber ich hasse, was die russische Regierung tut. Wenn sie einem Menschen Asyl gewährt, der sich, wie ich glaube, des Hochverrats an den USA schuldig macht, dann stellt sie es auf eine neue Stufe."

Die Kommentare ließen nicht lange auf sich warten, und einige der deutlichsten kamen aus Grahams eigenen Reihen. "Lindsey liegt völlig daneben", sagte John Boehner, im Repräsentantenhaus die Nummer eins der Konservativen. "Athleten zu bestrafen, die jahrelang dafür trainieren - das ist das Letzte, was du tun willst." Und Senatsveteran John McCain, sonst einer der schärfsten Kritiker Russlands, fügte mit Sarkasmus hinzu: "Beim letzten Mal, als wir unsere Olympia-Teilnahme kassierten, haben wir damit, soweit ich mich erinnern kann, nicht die allerbesten Erfahrungen gemacht."

Diskussion kommt in Fahrt

Die Debatte um Snowden: Vier, fünf Wochen lang hat sie der amerikanische Kongress nur auf Sparflamme geführt, aber nun kommt sie in Fahrt. Mitte Juni, als NSA-Direktor Keith Alexander vor den Geheimdienstausschüssen beider Parlamentskammern von 50 Terroranschlägen sprach, die angeblich verhindert wurden durch die Spähoffensive, bohrten nur wenige Abgeordnete kritisch nach.

Anders diese Woche. Da musste der NSA-Abgesandte bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus förmlich Spießruten laufen. Nicht Alexander, sondern sein Vize John Inglis, der ihn vertrat. Verärgert sind nicht nur liberale Demokraten, sondern auch republikanische Falken, die den Abhörgeheimdienst bisher widerspruchslos gewähren ließen.

Etwa James Sensenbrenner, nach 9/11 einer der federführenden Autoren des Patriot Act, der den Schnüfflern im Namen des "Krieges gegen den Terror" markant erweiterte Vollmachten zugestand. "Wenn Sie nicht begreifen, dass Sie ein Problem haben, werden Sie das alles verlieren", sagt Sensenbrenner und meint die Paragrafen der Novelle, die der NSA sowohl das Speichern amerikanischer Telefon-Verbindungsdaten als auch das weltweite Internet-Spähprogramm Prism erlaubt. Falls sich nichts ändere, werde das Abgeordnetenhaus jene Passagen streichen, wenn das Gesetz 2015 zur Verlängerung anstehe.

"Dieses Programm ist völlig aus dem Ruder gelaufen", protestiert Zoe Lofgren, eine Demokratin aus Kalifornien, während der konservative Texaner Ted Poe bemerkt: Ich mag Snowden nicht, aber wir wüssten nie, was passiert ist, hätte er es uns nicht erzählt".

Dann ist da noch Gordon Humphrey, ein Republikaner aus New Hampshire. Er will Schweden dafür gewinnen, den in Moskau gestrandeten Whistleblower aufzunehmen. Zugleich will er ehemalige US-Abgeordnete Druck aufs Weiße Haus ausüben lassen, damit Barack Obama eine solche Regelung akzeptiert. "Mit allem Respekt", schrieb Humphrey dem Online-Magazin Politico, "ich sage den Schweden, Amerika hat sich in diesem Fall falsch verhalten. Steht auf gegen Amerika. Gebt Edward Snowden Asyl!" (Frank Herrmann, DER STANDARD, 19.7.2013)