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Menschen, die an Migräne leiden, sind nicht hilfloser, sondern suchen nach mehr Möglichkeiten das neu erkannte Problem zu lösen, meint Peter Kropp von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.

München - In früheren Studien konnte bereits gezeigt werden, dass sich Migränepatienten im Vergleich zu Gesunden oft übermäßig anstrengen, um die ihnen gestellten Aufgaben möglichst perfekt zu erledigen. Allerdings wurde dieses Phänomen bislang noch nicht mit einem experimentellen Forschungsdesign nachgewiesen. Aus diesem Grund versuchten nun Wissenschftler der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) die unterschiedliche Problemverarbeitung mit Hilfe eines sogenannten "Hilflosigkeitsexperiments" zu klären.

Dabei konnten die Wissenschaftler durch Messung der Gehirnströme mittels Elektroenzephalografie (EEG) zeigen, dass Migränepatienten stärker als Gesunde dazu tendieren, eine experimentell erzeugte Hilflosigkeitssituation zu bewältigen. "In unserer Studie mit 24 Migränepatienten und 24 gesunden Personen wurde ein vom Teilnehmer selbst abzustellendes Tonsignal ohne sein Wissen plötzlich blockiert. Der Ton konnte nicht mehr sofort abgestellt werden. Eine Situation der Hilflosigkeit entstand. Die teilnehmenden Migränepatienten aktivierten mehr kognitive Ressourcen, den Ton abzustellen, als die Gesunden. Das drückt sich in einem vergrößerten EEG-Signal und in einer signifikant schnelleren Reaktionszeit aus", sagt Studienleiter Peter Kropp.

Insgesamt könne daraus geschlossen werden, dass Migränepatienten in entsprechenden Situationen einen intensiveren Problemlösevorgang auslösen. "Sie sind demnach nicht hilfloser wie zunächst in früheren Studien angenommen wurde, sondern suchen nach mehr Möglichkeiten, das neu erkannte Problem zu lösen. Sie gehen dabei intensiver und effektiver an Schwierigkeiten heran und verfügen über eine bessere Problemlösungskompetenz", so der Mediziner.

EEG-Signal deutlich länger und stärker ausgeprägt

Hilflosigkeit kann durch Situationen ausgelöst werden, in denen Personen emotional negative Gefühle und fehlende Kontrolle über Situationen erleben. Dieses Erleben lässt sich auch über ein EEG-Signal ablesen. Im Rahmen des Experiments musste der Proband auf verschiedene Töne hören und bei einem bestimmten Ton möglichst schnell einen Reaktionsknopf drücken, um diesen Ton abzuschalten.

Nach dem Abschalten des Tones konnte ein charakteristischer EEG-Verlauf beobachten werden - die sogenannte "post-imperative negative Variation“ (PINV). War der Ton trotz des korrekten Tastendrucks plötzlich weiterhin hörbar, äußerte sich die Reaktion darauf in einer besonders ausgeprägten PINV. In der Studie wurden 24 Migränepatienten mit 24 gesunden Probanden verglichen. Für jede korrekte Reaktion bekamen die Teilnehmer einen Euro als Belohnung. Nach 16 der 32 Messdurchgänge konnten die Probanden plötzlich den Ton trotz Tastendruck nicht mehr abschalten, er dauerte dann jeweils mehrere Sekunden an und die bis dahin angehäufte Belohnung "schmolz dahin".

Während die gesunden Untersuchungsteilnehmer auf diesen "Kontingenzwechsel" - in diesem Fall, dass der Tastendruck nicht die gewünschte Wirkung hatte - nur kurz mit einer vergrößerten PINV-Amplitude reagierten, war dieses Signal in der Migränegruppe deutlich länger und ausgeprägter vorhanden. Außerdem war die Reaktionszeit, also die Zeit zwischen Tonsignal und Tastendruck, bei Migränepatienten signifikant schneller. Daraus schließen die Forscher, dass Migränepatienten in solchen Situationen mehr kognitive Ressourcen aktivieren als gesunde Menschen. (red, derStandard.at, 17.7.2013)