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Rüpelrapper und Sir: Oben erledigt Bushido gerade sein Kerngeschäft, unten sieht man ihn 2011 den Bambi für "Integrationsleistungen" entgegennehmen.

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Sich selbst sieht Bushido (34) als Samurai. Der Künstlername des 1978 als Anis Mohamed Youssef Ferchichi in Bonn Geborenen stammt aus dem Japanischen. Er bezeichnet den "Weg des Kriegers" und meint den Verhaltenscodex der Samurai. Von den Samurai ist nicht überliefert, dass sie Grünen-Politikerinnen durchlöchert hätten. Bushidos Video des Gangsta-Rap-Songs "Stress ohne Grund" zeigt zwei schwarz-weiße Gestalten, die unter anderem mit der bundesdeutschen Politprominenz abrechnen.

Der FDP-Abgeordnete Serkan Tören solle "ins Gras beißen". Auf Claudia Roth möchte der Rapper schießen, "und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz". Einer unbekannten "Schwuchtel" wird Folter angedroht. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wird gleich überhaupt gröblich beleidigt. Das mittlerweile von Youtube aus dem Netz genommene Lied hatte binnen 48 Stunden eine Million Zugriffe. Jetzt sind die Gerichte am Wort.

Wowereit stellte Strafanzeige wegen Gewaltverherrlichung, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien dürfte aktiv werden. Die inkriminierte Nummer gehört zum Liedschatz des Nachwuchsrappers Shindy, eines Protegés des Unholds. Bushido wiederum bekennt gegenüber Fernsehstationen in Deutschland und Österreich blankes Unverständnis. Er rufe nicht zur Gewalt auf, sondern habe "die Mittel genutzt, die mir als Rapper zur Verfügung stehen", sagte er dem deutschen TV-Sender N24. Im ORF knüpfte der millionenschwere Provokateur eine Theorie an sein Tun: Die Wirkung seiner Verse liege "im Auge des Betrachters". Wer glaube, 14-Jährige würden aufgrund seiner Prollreime jetzt gewaltsam gegen Schwule und Frauen vorgehen, der lebe "hinterm Mond". Oder, wie Bushido weiter sagt: "Ich schieße mit Wörtern."

Mit seinem Beharren auf autonomes Rappen steht Bushido allein da. Der heimische Rapper P. Tah kann in den Lyrics des wirtschaftlich umtriebigen Reimkünstlers wenig Substanz erkennen. Bushidos Ausdrucksweise sei "peinlich". Attackieren von Minderheiten habe keinen "künstlerisch hohen Stellenwert". Yara Bravo, Hip-Hopperin aus Berlin, sieht hingegen den Zweck der Provokation erfüllt: "Namedropping funktioniert einfach. Menschen reagieren auf so etwas, und das ist immer gut."

Stefan Trischler, FM4-Journalist mit dem Schwerpunkt Rap, kritisiert die öffentliche Wahrnehmung: "Hip-Hop wird von den österreichischen Medien stiefmütterlich behandelt und nur dann thematisiert, wenn es einen Skandal gibt. Das war auch bei Sido so." Das österreichische Ohr scheint bei heimischem Rap taub. Gleichzeitig mit dem Aufruhr um Bushido steigt das Album des Wiener Rappers Raf Camora in Deutschland auf Platz eins der Album-Charts ein. Und vor ein paar Wochen landete der gebürtige Linzer Peter Pangerl als "Chakuza" mit dem Longplayer "Magnolia" auf dem fünften Platz.

Noch 2011 bekam Bushido den Integrations-Bambi verliehen - für sein Engagement in der multikulturellen Gesellschaft. Drei seiner insgesamt neun Alben stehen bereits auf dem deutschen Index. "Aus Sicht eines Geschäftsmannes ist die ganze Geschichte super gelaufen", sagte Bushido prompt zu N24.

Alle schreien nun: "Kalkulierte Provokation!", geschwiegen wird dennoch nicht. Die Trennung zwischen Autor und Text verschwindet in der Berichterstattung völlig. In seinem inkriminierten Song nimmt Bushido die erwartete Aufmerksamkeit vorweg: "Ich mach Schlagzeilen, yeah!" Das Medienspiel bricht den Rap auf dessen skandalösen Gestus herunter. Ein Stilmittel, dessen sich Berliner Rapper wie Frauenarzt oder das Label Hirntot lange Zeit bedienten. Wegen Volksverhetzung und sexistischer, "ekelerregender" Texte - wie es die Staatsanwaltschaft Berlin 2008 formulierte - wurden Letztere zu Bewährungsstrafen verurteilt. (poh/siwe/aa, DER STANDARD, 17.7.2013)