Die SPÖ-Abgeordnete Sonja Ablinger muss um ihr Mandat bangen und könnte über "interne" Bundesparteivorstandsbeschlüsse und sonstige Wahllistenregeln kein Direktmandat erreichen. Ein Zufall? Wohl nicht. Sonja Ablinger ist für die Parteiführung oftmals unangenehm. Sie gehört zu derjenigen Sorte von SozialdemokratInnen, die mit ihrer Mandatsausübung nicht aufgehört haben, grundlegende Dinge kritisch zu hinterfragen.

Sie ist keine, die abnickt, keine, die sich dem monetären Selbsterhaltungsdruck des europäischen Finanzkapitals alternativlos ausliefern will, und keine, die sich ihre eigene Meinung verbieten lässt.

Sie ist der Widerspruch zum so negativen Bild, das von PolitikerInnen wahrgenommen wird, und verkörpert zu großen Teilen das, was der Sozialdemokratie so bitter fehlt: Ideologie, Mut, Aufrichtigkeit und somit politische Glaubwürdigkeit. MandatarInnen wie Sonja Ablinger können zumindest den Widerspruch zwischen Wahlkampfrhetorik und ihrem realpolitischen Engagement kleiner machen - ob es in der Frage der Regulation oder bei Alternativen zum krisengeschüttelten europäischen Finanzsystem sei, bei der Stärkung der Frau in der Gesellschaft oder im Bereich der Humanität jenseits der populistischen "Law and order"-Politkultur.

Und Sonja Ablinger kann vor allem eines: diese einzelnen Politikfelder in gesamtgesellschaftlichen Strukturen denken. Eine Eigenschaft, die wohl heute auf nicht mehr auf allzu viele politisch Handelnde zutrifft.

Und dieser Politikstil, dieses Aufstehen hat weder etwas mit Heldentum noch mit RebellInnenhaftigkeit zu tun. Solche Abgeordnete bilden die Grundlage für eine Erneuerung der Sozialdemokratie.

Diskurs fehlt

Und damit müssen sich die KritikerInnen ihrer Person einmal auf einer politischen Ebene auseinandersetzen. Doch dieser Diskurs fehlt. Da wird mit Statut und Beschluss gehandelt und nicht mit der Frage, wohin sich die Sozialdemokratie entwickeln muss.

Menschen wie Sonja Ablinger sind in der Sozialdemokratie genau richtig, andere sind das weniger. Die fortlaufende Entideologisierung muss gestoppt werden. Eine Politik, die von Machterhalt und Reproduktion ihrer eigenen politischen Kaste geprägt ist, muss einem Programm für einen modernen Interessenvertretungsanspruch weichen.

Es geht um politisches Profil und um Glaubwürdigkeit. Das alles weiß man auch in der Parteiführung. Theoretisch. Und das alles hören wir - die sogenannte Basis - so oft von unseren FunktionärInnen, Mitgliedern und MitbürgerInnen. Sprachrohr für diese Meinungen zu sein, auch das verkörpern FunktionärInnen wie Sonja Ablinger. Doch der Umgang mit innerparteilicher Kritik ist nicht gerade eine Stärke der Bewegung.

Dabei müsste doch endlich erkannt werden, dass Kritik und Selbstkritik der Schlüssel zur Rückkehr zu einer erfolgreichen Etappe für die SPÖ sind. Die Sozialdemokratie braucht diesen hinterfragenden Diskurs, den es ohne mündige Abgeordnete nicht geben kann. Und dessen Verhinderung erschwert auch den Weg zu einer glaubwürdigen und zukunftsfähigen Sozialdemokratie. (Andreas Babler, derStandard.at, 16.7.2013)