Filmstill aus Ben Rivers' preisgekröntem "Ah Liberty!" (2008).

Foto: Courtesy Ben Rivers Gallery

Linz - Der Bub trägt nichts bis auf seine Unterhosen. Er stampft, schlägt mit der Faust in die Hand und spricht mit verzerrter Stimme Sätze wie: "Come on cutie - I'll squish em good - they'll be like a sandwich - run over by a car" und so weiter. Den Text für ihr Video hat Chloe Piene einem Briefwechsel entnommen, den sie mit einem Gefängnisinsassen geführt hat.

Die Sätze aus dem Mund eines kleinen Buben, der untersichtig in einem dunklen Raum gefilmt wird, werden zur absurden, gewaltvollen Bedrohung. Little David steht am Beginn der Ausstellung Someone Else über die tiefen Abgründe von Kindheiten. Etwas, womit man sich öffentlich kaum auseinandersetzt, weil Kindheit vordergründig eines zu sein hat: heil. Anderes wird als "Einzelfall" verdrängt oder weggeschoben. Und so bleibt sie ein hochspannendes Feld für die Kunst.

Erik Levine etwa befasst sich mit dem Tod seines Vaters und Super-8-Aufnahmen, die ein gänzlich anderes Bild des Verstorbenen zeigen, als es der Amerikaner in Erinnerung hatte. Ben Rivers' Film schwankt zwischen Dokumentarischem und Intervention: Kinder einer Farmerfamilie spielen mit eigentümlichen Tiermasken auf einem Schrottplatz - die Spiele der Kinder sind archaisch, unbändig.

Auch Gillian Wearing zeigt eine filmische Arbeit - sie lässt in 10 - 16 Kinder und Jugendliche über ihre Kindheitserfahrungen sprechen, vom Taschengeld bis hin zu ersten sexuellen Erlebnissen. Perfekt lippensynchron werden die Aufzeichnungen von erwachsenen Schauspielern wiedergegeben, wodurch große Irritation entsteht.

Museumsdirektorin Gabriele Spindler hat sich bewusst für den Ausstellungstermin zur Ferienzeit entschieden: "Wir alle kennen die Autofahrten mit ihrer knisternden Angespanntheit, wo auf engstem Raum der Begriff Familie auf dem Prüfstand steht." Eine schöne, dunkle, abgründige Schau.  (Wiltrud Hackl, DER STANDARD, 17.7.2013)