Juliana Okropiridse ist eine von drei Frauen auf der Bundesliste der Piraten für die Nationalratswahl. "Man wird überhaupt nicht anders behandelt, wenn man als Frau in der Partei ist. Wir arbeiten sehr daran, dass wir noch mehr Frauen als Mitglieder bekommen", sagt sie im Interview mit derStandard.at. Es habe einen gewissen Charme, dass die Piratenpartei politisch unerfahren ist, sagt sie. Es sei gut, an die Themen naiv heranzugehen. Obwohl Okropiridse Umweltaktivistin ist, sieht sie ihre politische Heimat nicht bei den Grünen: "Ich finde, die Grünen haben ihre Linie verloren und sich den Strukturen angepasst."

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derStandard.at: In Ihrer Vorstellung auf der Homepage der Piraten schreiben Sie, dass Sie früher politikverdrossen waren. Heute sind Sie überzeugt, etwas ändern zu können. Wie ist es zu diesem Sinneswandel gekommen?

Okropiridse: Früher habe ich gedacht, sich in einer Partei zu engagieren bringt nichts. Ich habe gedacht, die können alles machen, was sie wollen, die Bevölkerung muss sich von unten einbringen und den Politikern zeigen, dass sie etwas verändern will. Ich bin dann aber zu dem Schluss gekommen, dass das so leider nicht funktionieren kann. Man muss ein Zwischending finden und sich einerseits als Mitglied der Bevölkerung für seine Rechte starkmachen. Andererseits muss man sich aber auch in Parteien engagieren und so versuchen, die Dinge von weiter oben zu verändern.

derStandard.at: Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit der Piratenpartei "weiter oben" sind?

Okropiridse: Ich kommuniziere jetzt mit Leuten, die sehr ähnliche Meinungen haben wie ich, und das ist sehr angenehmen und sehr bekräftigend. Deshalb bin ich auch so motiviert dabei, weil ich sehe, dass es viele andere Leute gibt, die meine Meinung teilen, und dass wir zusammen etwas erreichen können.

derStandard.at: Warum haben Sie sich mit 20 Jahren dazu entschieden, Politikerin zu sein?

Okropiridse: Ich bin schon eineinhalb Jahre dabei. Ich wollte eigentlich nie Politik machen und Politikerin sein, aber ich sehe derzeit keinen anderen Weg. Ich bin jetzt auch ganz glücklich mit meinem zweiten Listenplatz. Wenn ich versuche, mich möglichst viel zu engagieren, und irgendwann sogar einen politischen Posten habe, kann ich die Dinge umsetzen, die ich vielleicht nicht umsetzen könnte, wenn ich diesen Posten nicht hätte.

derStandard.at: Sie bezeichnen sich als Umweltaktivistin. Warum sind Sie nicht bei den Grünen, die würden sich da ja anbieten?

Okropiridse: Das stimmt. Ich war auch früher den Grünen sehr zugeneigt. Aber ich finde, die Grünen haben ihre Linie verloren und sich den Strukturen angepasst. Sie tun einfach viele Dinge, die nicht meinen Grundwerten entsprechen, von der Basisdemokratie sind sie ganz weggekommen. Sie haben ja ähnlich wie wir angefangen, aber diese Linie haben sie verlassen. Mittlerweile sind sie unglaubwürdig.

derStandard.at: Für Umweltpolitik sind die Piraten aber nicht gerade bekannt.

Okropiridse: Das stimmt, wir haben noch kein ausgearbeitetes Umweltprogramm, wir arbeiten aber daran. Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass sich das bald ausgeht.

derStandard.at: Ist das eigentlich sehr mühsam, das Programm mithilfe von Liquid Democracy zu erstellen?

Okropiridse: Ich finde es gar nicht mühsam. Es ist oft effizienter, als wenn man es anders macht. Man kann sehr übersichtlich seine Meinung kundtun und Anträge verbessern. Der Abstimmungsprozess ist übersichtlich und für alle nachvollziehbar.

 

"Ich denke, es ist in vielen Themen sehr gut, naiv an sie heranzugehen und sie aus Sicht der Bevölkerung zu betrachten und nicht aus Politikersicht", sagt die Piratin.

derStandard.at: Ihr Parteikollege Bernhard Haydn meinte einmal, die Piraten mache aus, dass sie politisch unerfahren sind. Sehen Sie das auch so?

Okropiridse: Es macht einen gewissen Charme aus, das lässt sich nicht abstreiten. Ich denke, es ist in vielen Themen sehr gut, naiv an sie heranzugehen und sie aus Sicht der Bevölkerung zu betrachten und nicht aus Politikersicht. Das kann sehr viel erfrischende Energie hereinbringen, man kommt dann auf produktivere Ideen, wenn man das Ganze von unten betrachtet. Aber unerfahren sind wir mittlerweile nicht mehr.

derStandard.at: Sie haben noch bis 2. August Zeit, um 2.600 Unterstützungserklärungen für die Kandidatur bei der Nationalratswahl zu sammeln. Die Neos haben ihre für Wien und Vorarlberg schon beisammen. Wie läuft die Sammlung der Unterstützungserklärungen bei den Piraten?

Okropiridse: Wir sind dabei. Es ist ziemlich schwierig, weil viele bürokratische Steine in den Weg gelegt werden. Wir sind zuversichtlich, dass wir es schaffen werden. Wir werden aber noch viel Energie investieren müssen. Wir haben gerade Unterstützung aus Deutschland bekommen.

derStandard.at: Sie gehen also davon aus, dass die Piraten kandidieren werden?

Okropiridse: Ja, auf jeden Fall. Sonst wäre ja alle Arbeit umsonst.

derStandard.at: Mit wie vielen Stimmen rechnen Sie?

Okropiridse: Das Ziel wären vier Prozent, also der Einzug, das wäre wunderschön.

derStandard.at: Gehen Sie selbst davon aus, dass Sie im Parlament sitzen werden?

Okropiridse: Wenn wir einziehen, dann ja.

derStandard.at: Sie sind eine von drei Frauen auf der Bundesliste der Piraten. Wie wirkt sich das aus, dass Ihre Partei von Männern dominiert wird?

Okropiridse: Ich habe selbst noch keine negativen Erfahrungen gemacht. Dieses Image, das wir da haben, ist sehr schwierig wieder loszubekommen. Man wird überhaupt nicht anders behandelt, wenn man als Frau in der Partei ist. Wir arbeiten sehr daran, dass wir noch mehr Frauen als Mitglieder bekommen. Die ersten drei Frauen sind auch unter den ersten neun der Bundesliste. Das finde ich sehr erfreulich. Auf der bisherigen Liste gab es nur eine Frau, das hat sich jetzt um zweihundert Prozent erhöht. Ich hoffe, dass sich dieser Trend fortsetzt.

derStandard.at: Warum gibt es so wenige Frauen, die sich bei den Piraten engagieren?

Okropiridse: Das lässt sich sehr leicht erklären. Erstens sind überhaupt wenige Frauen politisch aktiv, vor allem wenige junge Frauen. Zum anderen kommen die Piraten eher aus dem technischen Sektor, und in der Technik - wie ich aus eigener Erfahrung weiß, weil ich an der Technischen Universität studiere - gibt es auch weniger Frauen. Wir haben das Problem doppelt.

derStandard.at: In Ihrem Parteiprogramm findet sich kein Abschnitt zu Frauenpolitik oder Gleichstellung.

Okropiridse: Ein bisschen versteckt gibt es schon eine Passage, in der Gleichstellung und gleiche Bezahlung gefordert werden. In unseren Grundwerten sprechen wir uns aber klar für Chancen und gleiche Rechte für alle aus, ein fertiges Programm explizit zu Frauenpolitik haben wir zurzeit leider noch nicht. Derzeit fokussieren wir die ganze Arbeit auf die Unterstützungserklärungen, und es fehlt ein bisschen an der inhaltlichen Arbeit und an der Zeit dafür.

derStandard.at: Ist die Partei da zu spät dran?

Okropiridse: Das ist bei uns leider öfter der Fall, dass wir mit vielen Dingen zu spät dran sind. Das liegt daran, dass wir das alle ehrenamtlich machen, viele sind berufstätig. Wir machen alles so schnell, wie es geht. Manchmal ist es trotzdem nicht rechtzeitig fertig.

derStandard.at: Die Piraten fordern in ihrem Programm ein bedingungsloses Grundeinkommen, fahrscheinlose Öffis und die Abschaffung des Kopierschutzes. Wie wollen Sie das eigentlich alles finanzieren?

Okropiridse: Das bedingungslose Grundeinkommen lässt sich leicht finanzieren. Das Geld ist jetzt schon da, man muss die Sozialförderungen nur gerechter aufteilen.

derStandard.at: Das würde sich ausgehen?

Okropiridse: Das haben wir ausgerechnet. Wenn man in den Sozialtöpfen und dergleichen umverteilt, würde sich das so ausgehen, dass jedem Menschen 850 Euro im Monat zustehen. Das sind die ersten Rechnungen. Fahrscheinlose Öffis gibt es bereits, zum Beispiel in Tallinn in Estland. Die Haupteinnahmequelle der öffentlichen Verkehrsbetriebe sind ja nicht die Fahrscheine, die bezahlt werden.

derStandard.at: Der NSA-Überwachungsskandal betrifft das Kernthema der Piraten. Trotzdem liegen Sie in den Umfragen unter Ihrem Ziel von vier Prozent. Woran liegt das?

Okropiridse: Datenschutz ist nicht das Thema, sondern es ist ein Kernthema. Die Partei hat sich um dieses Thema herum entwickelt, es ist aber nicht das einzige wichtige Thema. Dieser Skandal spielt uns den Ball zu. Warum liegen wir nicht bei vier Prozent? Viele Leute informieren sich zu wenig, und vielen Leuten ist Datenschutz nicht genug als Parteiprogramm. Viele denken, das ist unser einziges Thema, wobei das überhaupt nicht mehr so ist.

derStandard.at: Haben Sie selbst einen Facebook-Account?

Okropiridse: Ja.

derStandard.at: Also Sie haben keine Angst davor, dass Ihre Daten ausspioniert werden?

Okropiridse: Ich finde es schrecklich, dass das mit meinen Daten gemacht wird. Ich muss gestehen, ich bin da ein bisschen zu wenig vorsichtig. Theoretisch wissen die alles über mich. (Lisa Aigner, derStandard.at, 16.7.2013)