Dopinggegner Lilge: "Das Netz ist enger geworden."

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STANDARD: Sind Sie überrascht von den Dopingfällen?

Lilge: Weder von den Fällen noch von ihrer Häufung. Es sind wohl bestimmte Athleten ins Fadenkreuz der Fahnder gelangt. Ich freu mich, dass wieder einige aus dem Verkehr gezogen wurden.

STANDARD: Mancherorts ist aber von einem "schwarzen Tag" für die Leichtathletik die Rede.

Lilge: Das kann ich gar nicht verstehen. Es ist ein großartiger Tag für jeden Dopinggegner, für jeden ehrlichen Sportler, ein großartiger Tag für die Leichtathletik und für den Sport. Die Chancen ehrlicher Sportler, an die Spitze zu kommen, sind gestiegen.

STANDARD: Das Sprintfinale der WM wird aber wahrscheinlich öd.

Lilge: Und es ist großartig, dass man bereit ist, das in Kauf zu nehmen. Es ist für einen Athleten ein tolles Gefühl, wenn er davon ausgehen kann, dass die Athleten rechts und links von ihm auch mit ehrlichen Mitteln arbeiten. Die Orientierung an Rekorden wird viel zu sehr in den Vordergrund gestellt. Vielleicht werden die Wettkämpfe sogar spannender, wenn wir uns nicht im Rekordbereich bewegen.

STANDARD: Ist es vorstellbar, dass just Usain Bolt seinen Fabelweltrekord von 9,58 Sekunden ungedopt erzielt hat?

Lilge: Der Verdacht läuft auch bei ihm immer mit. Und ich bin der Letzte, der für Bolt seine Hand ins Feuer legt. Aber ich kann es mir vorstellen. Er hat ganz sensationelle körperliche Voraussetzungen, und er hatte eine nachvollziehbare Leistungssteigerung, da war nie ein großer Sprung. Und die Denkweise, dass einer gedopt sein muss, nur weil er der Beste ist, lehne ich ab.

STANDARD: Und dass man wieder hört, es würden "eh alle dopen"?

Lilge: Das ist die große Gefahr, und es stimmt einfach nicht. Dieses Denken darf sich nicht verankern, schon gar nicht in den Köpfen junger Athleten. Sie müssen glauben können, dass sie fair an die Spitze kommen können. Die meisten Sportler kämpfen ehrlich - in Österreich und international. Und in jeder Disziplin, meine ich.

STANDARD: Oft hört man, Doper seien einen Schritt voraus. Haben die Dopingjäger plötzlich aufgeholt?

Lilge: Das Netz ist enger geworden. Es gibt viele Indizien, wenn manipuliert wird. Unerklärliche Leistungssteigerungen, auffällige körperliche Veränderungen. Und wenn sich Experten mit Hirn und Herzblut bemühen, ist effizienter Kampf gegen Doping möglich.

STANDARD: Wird in Österreich effizient kontrolliert?

Lilge: Die Nada muss Schulden in sechsstelliger Höhe abbauen, das geht auch auf Kosten der Kontrollen. Oft ist es so wie mit den Radarkastln, die weithin sichtbar aufgestellt sind. Die Autofahrer bremsen rechtzeitig ab, und danach steigen sie wieder aufs Gas.

STANDARD: Würden Sie sich härtere Sanktionen gegen Dopingsünder wünschen?

Lilge: Ein Traum wären lebenslängliche Sperren schon beim ersten Vergehen, wenn es sich um schweres Doping handelt. Mich zipft es an, wenn Doper wieder und wieder auftauchen. Doping ist Wirtschaftskriminalität. Würde einem Dopingsünder eine Haftstrafe oder einem in Doping verwickelten Arzt der Verlust der Berufszulassung drohen, hätte das schon abschreckende Wirkung. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 16.7.2013)