Prishtina - Nach der Einigung ist vor der Einigung. Nicht nur Serben-Führer im Nordkosovo verweigern die Umsetzung des historischen Abkommens vom April zur Integration des Nordkosovo in den kosovarischen Staat: Auch die Oppositionspartei Vetevendosje in Prishtina mobilisiert dagegen. Insbesondere das Amnestiegesetz, das jene Kosovo-Serben straffrei stellen soll, die bisher gegen den kosovarischen Staat ankämpften, hat zu wilden Spekulationen geführt. Akteure der Zivilgesellschaft haben etwa 12.000 Unterschriften gegen das Gesetz gesammelt, das vergangene Woche in veränderter Fassung das Parlament passierte. Sie wollen nun, dass Präsidentin Atifete Jahjaga dieses nicht unterzeichnet.

Das Problem war vor allem, dass das Amnestiegesetz ohne ausreichende öffentliche Debatte beschlossen wurde. Umstritten war insbesondere ein Artikel, der eine Teilamnestie für bereits Verurteilte im gesamten Kosovo vorgesehen hatte. Der Artikel wurde allerdings aus dem Gesetz genommen. Andere Teile des Gesetzes wurden hingegen missinterpretiert, etwa die Straffreiheit für Steuerhinterziehung oder Attacken gegen die Polizei. Diese sollte nämlich nur gelten, wenn die Taten als Widerstandsaktion von Serben gegen das kosovarische System begangen wurden.

Insgesamt geht die Umsetzung des Nordkosovo-Plans nur langsam voran, auch wenn EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton vergangene Woche bei ihrem Besuch in Prishtina und Belgrad betonte, dass es keine Sommerpause geben werde. Bisher wurden nur die regionalen Polizeikommandanten ernannt und die parallele serbische Polizeistation in Leposavic aufgelöst. Verhandelt wird weiterhin über eine eigene Telefonvorwahl und die Stromversorgung.

Für den Kosovo geht es auf dem Weg in die EU darum, an die anderen Staaten Südosteuropas anzuschließen und die von der Kommission versprochenen Verhandlungen für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) zu beginnen. In der EU-Kommission erwartet man, dass nächsten Sommer ein SAA-Vorschlag vorliegen kann.

Aufruf zum Wahlboykott

Der nächste wichtigste Schritt sind die Lokalwahlen für die Serben im Nordkosovo, die von der kosovarischen Regierung und der OSZE für den 3. November organisiert werden. Einige serbische Politiker haben zum Boykott aufgerufen und mittlerweile ein eigenes "Parlament" konstituiert. Im Hintergrund geht es um den Machtkampf zwischen der serbischen Regierung und dem oppositionellen nationalistischen Politiker Vojislav Kostunica.

Der serbische Premier Ivica Dacic rief die Kosovo-Serben dazu auf, bis August Kandidatenlisten zu erstellen; das "Parlament" erklärte er für "nicht bestehend". (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 15.7.2013)