Eine Sehnsucht nach Kindheit versucht die Familie Breznik aus Luce zu stillen: mit einem Heustadel wie diesem, in dem man aber deutlich luxuriöser nächtigen kann. 

Foto: Mateja Jordović Potočnik, Studio Forma, Slovenia

Der Charakter eines Stadels wurde in Luce bewahrt: Wo früher das Gras zum Trocknen hing, spendet nun eine grüne Wand Schatten.

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Anreise am sinnvollsten mit dem Auto: Der schnellste Weg ins Obere Savinjatal von Wien und Graz führt über Leibnitz auf der A1 nach Maribor und von dort an den Orten Mozirje und Ljubno vorbei bis Luce. Von Ljubljana (Bild) geht es an Kamnik vorbei, in Richtung Crnivec-Pass, durch das Tal Podvolovljek oder über den Pass Crnivec, durch Gornji Grad in Richtung Logartal, am Fluss Savinja entlang, bis Luce. Landschaftlich besonders schön ist die Anfahrt von Klagenfurt und Eisenkappel über den Paulitschsattel. Auf Sloweniens Autobahnen herrscht Vignettenpflicht. Eine Siebentagesvignette kostet 15 Euro.

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Wer Martina Breznik außerhalb der Penzion Raduha treffen will, fährt freitags nach Ljubljana zum Schaukochen: Am Markt treffen sich die besten Köche Sloweniens. Infos: visitljubljana.com. Wer sich auf eine kulinarische Entdeckungsreise begeben möchte, fährt auf jeden Fall nach Ljubljana zu JB, ins Vipava-Tal zur Gostilna pri Lojzetu (Schloss Zemon). In Piran (Bild) empfehlen sich das Neptun sowie Pavel 1 und 2. Im Weinland Goriska Brda serviert Zlatko Mavric im Belice köstliche regionale Spezialitäten. Exquisite Küche genießen Gäste von Ana Ros' Hisa Franko im Soca-Tal.

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Slowenien ist eine der wasserreichsten Regionen Europas. Gewässer wie Soca (Bild), Savinja, Kolpa und Krka genießen unter Fliegenfischern, Kanufahrern und Raftern Weltruf.

Luce ist auch bester Ausgangspunkt für Tagestouren auf die Raduha. Die Tropfsteinhöhle Snezna jama lässt sich geführt erkunden. Ins Logartal führt eine Mautstraße, zu bezahlen sind sieben Euro.

Infos zur Baumhausarchitektur: janko.rozic@gmail.com

Infos vor Ort in Solcava zwischen Luce und Logartal. Weitere Infos: www.slovenia.info und in Wien im Tourismusbüro Slowenien, 1010 Wien, Opernringhof 1/R/4/447

Es muss einen ganz tiefen psychologischen Hintergrund haben, wenn erwachsene Menschen sich danach sehnen, in einem Baumhaus zu schlafen. Eine unbestimmte Sehnsucht, höchstwahrscheinlich nach der Kindheit, treibt bestimmt all jene, deren Väter im angrenzenden Waldrand für den Nachwuchs Bretter an Bäume hämmerten und klopften, bis schließlich eine - zumeist windschiefe - Plattform entstand, auf die man sich stellen und von der aus man die Welt von oben in gesicherter Position betrachten konnte. Andere wiederum mögen zu jenen unglücklichen Kindern gehört haben, die unten standen und traurig nach oben schauten, zum Haus des stolzen Freundes, der just in dem Augenblick kein Freund mehr sein wollte und den Zugang verwehrte.

Glücksversprechen

Ist es so kompliziert? Oder doch ganz einfach und bloß der Zeit entsprechend - das Baumhaus der Erwachsenenwelt verkörpert die maximale Verheißung auf die Vorstellung vom Glück der Gegenwart: Ruhe, Rückzug, Vogelgezwitscher. So oder so ähnlich erging es Martina und Matjaz Breznik, deren erklärte Leidenschaft die Welt des frei schwebenden Stelzenbaus ist: "Als wir das erste Mal Fotos gesehen haben, waren wir ganz aufgeregt!", schildert Martina. "So etwas wollten wir unbedingt bei uns haben."

"Bei uns", das ist im slowenischen Luce, einem idyllischen Dorf im Oberen Savinjatal mit gerade 500 Einwohnern, in dem man architektonische Vorzeigeprojekte nicht unbedingt vermuten würde. Luce besticht mit dem Charme eines slowenischen Dorfes. Er schwindelt sich leise und unauffällig ins Herz des Besuchers und lässt ihn nicht mehr los.

Die glasklare Savinja versorgt das Tal mit genügend Feuchtigkeit, sodass die Bergwiesen in sattem Grün erstrahlen. Im Frühjahr, Herbst und Sommer ist das hier ein Paradies für all jene, die am Wasser ihren Freizeitbeschäftigungen nachgehen: Kanufahren, Rafting, Fliegenfischen. Wandersleute kommen ebenso auf ihre Rechnung: Luce ist umsäumt von Zweitausendern, darunter auch die Raduha, die dem Hotel von Martina und Matjaz Breznik namensgebender Gipfel ist und an deren steilen Wänden sich Kletterer versuchen. Mit der Snezna jama, Sloweniens höchstgelegener Tropfsteinhöhle, kommen auch jene in den Genuss einer Wanderung, die ihrer Freizeitlust lieber unter Tag frönen.

Am Eingang zum malerischen Logartal drängen sich an den Wochenenden Motorradfahrer, die die kurvigen Straßen lieben und an den Straßenlokalen Pausen einlegen. Im Winter warten kleine Skigebiete und Langlaufloipen.

Ausflüge bieten sich an, denn Slowenien ist ein kleines Land, und das Gute liegt so nah: Ljubljana ist in eineinviertel Autostunden zu erreichen. Freitags kocht dort Martina Breznik am Markt, zusammen mit den besten Köchen Sloweniens. Maribor, Europäische Kulturhauptstadt des Jahres 2012, ist nur eineinhalb Stunden entfernt. Eine Stunde dauert es nach Celje, der Hauptstadt der Region mit Burg, Museum und großer Geschichte. Von 1341 bis 1456 war die Stadt Sitz der deutschen Grafschaft Cilli. Der letzte Graf wurde 1456 ermordet, danach kamen die Habsburger mit wehenden Fahnen und setzten der Herrschaft des Geschlechts ein Ende.

Leidenschaft fürs Material

Und einen Künstler gibt es auch: Joze Stremnik, gelernter Betriebswirt, macht aus Holz Skulpturen, die er in seiner Werkstatt in Luce ausstellt und verkauft. Stremnik ließ seinen Job irgendwann bleiben, um nach dem Tod des Vaters dessen Tischlerwerkstatt zu übernehmen. Seine Schalen oder Figuren macht er mit Leidenschaft für das Material, das Holz von Nuss, Birne, Kirsche und Apfel.

Die Zeiten haben sich geändert, auch im hintersten Alpental ist das spürbar. Die Gostilna Raduha wurde 1875 gebaut. Erst kamen die Nazis, 1946 die Kommunisten. Daran erinnert sich Martinas Mutter: "Wir hatten Glück, das Gasthaus war nur acht Jahre in Staatsbesitz." 1956 ging es in Privatbesitz über.

An den Kult um den charismatischen Staatschef Josip Broz Tito erinnern sich noch viele: "Tito war wie ein Gott für uns", erinnert sich Tatjana an große Momente. Sie wuchs in Luce auf: "Er war viel im Logartal, weil er auf die Jagd ging." Mit roten Mützen und Halstüchern seien die Kinder vor der Schule gestanden in sehnlicher Vorfreude auf den hohen Besuch. "Wir haben ihn nie gesehen", sagt sie. Der Staatschef rauschte in der Staatskarosse vorbei und würdigte die winkenden Knirpse mit keinem Blick. Tatjana lebt heute in der Schweiz und besucht Martina regelmäßig. Sie ging 1971.

Die Brezniks sind fest entschlossen zur Erneuerung, die dem verschlafenen Ort guttut. Doch dafür brauchte es erst mehrere Anläufe: Führender Architekt im trendiger werdenden Baustil mit oder auf Bäumen ist der Deutsche Andreas Wenning. "Wir riefen ihn an, und am nächsten Tag saßen wir im Flugzeug nach Bremen, um ihn aufzusuchen." Was kam, war eine bittere Enttäuschung: "Wir dachten, er zeigt uns seine Häuser vor Ort, aber er blätterte nur in Katalogen, aufgrund derer wir uns entscheiden sollten." Martina und Matjaz flogen wieder heim und suchten sich ihren eigenen Architekten.

Zusammen mit Janko Rozic treiben sie nun eine Form des kreativen Tourismus voran, der immer mehr Freunde findet. Auf diese Weise ist nicht nur das Baumhaus entstanden, sondern ein nicht minder exquisiter Heustadel.

Dieses zur Luxusschlafstatt aufgemotzte Originalbauwerk ist garantiert nicht für Nutzviehfutter reserviert. 50 Kilometer südöstlich des kärntnerischen Eisenkappels und 120 Kilometer westlich von Maribor erhält dieser traditionelle Zweckbau eine touristische Dimension: Dort, wo einst Gras gelagert und getrocknet wurde, kuscheln sich heute luxus- und naturliebende Gäste ins Schaffell, sie nehmen ein Bad in der eiskalten Savinja, die direkt angrenzt, und schmeißen sich danach in den zum Haus gehörenden Whirlpool. Die Innenausstattung ist höchst ausgetüftelt: Den Wohnbereich erklimmt man über eine Holztreppe, die so steil ist, dass man die seitlich angebrachten Seile gerne zu Hilfe nimmt, nur um sich vor der Eingangstür hoch oben sofort in gebückte Haltung zu begeben. Nicht aus Demut, obwohl diese angesichts des exquisiten Wohngefühls, das sich auf dem luftigen Holzboden sofort einstellt, angebracht wäre. Sondern weil die Tür so niedrig gehalten ist - und dann ist da noch ein Balken im vorderen Drittel des Raums. Einmal haut sich hier jeder den Kopf an, das ist fast ein Muss, selbst wenn man das Hindernis mit grellen Tüchern ausstattet. Am Glück, sich in diesem so funktionell wie möglich und luxuriös wie nötig gehaltenen Traumhaus zu betten, ändert das freilich nichts.

Der Wirt als Geometer

An Unterbeschäftigung leiden Martina und Matjaz nicht. Die Wirtsleute führen das Haus bereits in vierter Generation. Beide hätten gern Architektur studiert, es war nicht möglich, also wurde Matjaz Geometer, und Martina besuchte die Hotelfachschule. Sie haben drei Kinder, die älteste Tochter ist 25 und studiert in Ljubljana Architektur, die zwei jüngeren Söhne arbeiten im Haus mit.

Die Küche des Raduha gehört zu den 30 besten des Landes. Martina kocht Slow Food, auf den Tisch kommen regionale Köstlichkeiten, etwa Schlingkrapfen - in verfeinerter Form mit Rehfülle und Wildsauce - auf den Tisch. Ihre Mutter pflegt den Gemüsegarten im Dorf. Der Innovationsdrang scheint nicht enden wollend: Das Restaurant wurde renoviert, der slowenische Charme des Wirtshauses mit Fliesenboden wurde in moderne Ausstattung mit Fichte und Lerchenholz integriert.

Brachialtourismus ist ihnen fremd, sie sorgen mit sanfter Hand für Innovationen, und dafür reisen die Gäste von weit her. Vieles ist im Werden, so müssen täglich Entscheidungen getroffen werden. In naher Zukunft sind zwei weitere Baumhäuser fertig sowie hochwertige Zimmer im liebevoll restaurierten Steinhaus. "Wir haben gar kein so großes Interesse an Profit", sagt Martina. Positives Feedback der Gäste freue sie am meisten. (Doris Priesching, DER STANDARD, Album, 13.7.2013)