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Ein Protestzug von AbtreibungsbefürworterInnen im November des Vorjahres.

Foto: ap/Shawn Pogatchnik

Über zwei Tage hinweg wurde stundenlang debattiert, am Ende stand ein Beschluss mit reichlich politischem Zündstoff: Das irische Parlament hat in der Nacht zum Freitag ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, dass Abtreibungen in Notfällen erlaubt - nämlich dann, wenn das Leben der Mutter unmittelbar in Gefahr ist. Die Koalitionsabgeordneten stimmten in der Nacht zum Freitag mit 127 zu 31 Stimmen klar für einen entsprechenden Regierungsvorschlag und zogen dabei auch einzelne OppositionsvertreterInnen auf ihre Seite.

Das nach monatelangen Kontroversen verabschiedete Gesetz muss noch im ebenfalls von der Regierungsmehrheit dominierten Oberhaus (Seanad) genehmigt und vom Präsidenten unterzeichnet werden, bevor es in Kraft treten kann. Der Seanad will bereits am Montag über den Gesetzesentwurf beraten.

Das neue Gesetz würde Schwangerschaftsabbrüche wegen lebensgefährlicher Umstände auch in solchen Fällen ermöglichen, in denen eine Geburtshelferin/ein Geburtshelfer und zwei PsychologInnen einstimmig Suizidgefahr bei der schwangeren Frau attestieren. Vor allem diese "Selbstmordklausel" hatte das mehrheitlich katholische Land tief gespalten, da GegnerInnen eine schleichende Liberalisierung des strengen Abtreibungsrechts befürchten. Das neue Gesetz sieht auch einen niedrigeren Strafrahmen von bis zu 14 Jahren Haft für Abtreibungen vor. Bisher drohte Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornahmen, eine lebenslängliche Haft.

150.000 Irinnen nach England und Wales gereist

Die irische Verfassung war auf Drängen der katholischen Kirche im Jahr 1983 geändert worden, um Abtreibungen unter allen Umständen zu untersagen. In den vergangenen drei Jahrzehnten sind jedoch über 150.000 Irinnen zu Abtreibungen nach England und Wales gereist.

Zwar dürfen irische Ärztinnen und Ärzte seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1992 einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, wenn das Leben der Mutter unmittelbar in Gefahr ist. Doch bisher wurden die Gesetze nicht an die Rechtsprechung angepasst, was Dublin im Jahr 2010 auch ein missbilligendes Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte einbrachte.

Mit Blut geschriebene Drohbriefe

Besonders heftige Massenproteste hatte der Tod einer aus Indien stammenden Zahnärztin Ende Oktober wegen einer Fehlgeburt und anschließenden Blutvergiftung ausgelöst, nachdem die GynäkologInnen ihr zuvor eine Abtreibung verweigert hatten. Daraufhin wurden Forderungen nach einer Änderung der Abtreibungsgesetze laut, wobei einige VerfechterInnen liberalerer Regeln monieren, dass auch das aktuelle Gesetz keine Abtreibungsmöglichkeit im Falle von Inzest, Vergewaltigungen oder Schwangerschaftskomplikationen vorsieht. Von GegnerInnen der Neuregelung erhielt Ministerpräsident Enda Kenny nach eigenen Angaben mit Blut geschriebene Drohbriefe, andere hätten ihn als Mörder beschimpft.

Und auch innerhalb der Regierung war der Kursschwenk keineswegs unumstritten: Die für Europaangelegenheiten zuständige Staatssekretärin Lucinda Creighton aus Kennys Partei Fine Gael stimmte gegen das Gesetz - und kam ihrem Rausschmiss aus der Partei durch freiwilligen Rücktritt zuvor. "Ich bin zutiefst überzeugt, dass Teile dieses Gesetzes auf falscher Logik und absolut null medizinischer Expertise beruhen", sagte Creighton, der vor allem die Klausel zur Suizidgefahr übel aufgestoßen war. Kenny ernannte noch in der Nacht den Abgeordneten Paschal Donohoe zum neuen Europaminister.

Katholische Kirche will eingreifen

Der Regierungschef hatte den Abgeordneten keine Abstimmung nach freiem Gewissen zugestanden und im Vorfeld schon vier ParlamentarierInnen aus der Partei werfen lassen, die sich gegen das Vorhaben ausgesprochen hatten. Bei der mitregierenden Labour Party stimmten ebenfalls einige Abgeordnete gegen das Gesetz, weil sie sich eine weitergehende Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gewünscht hätten.

Die katholische Kirche hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung angekündigt, juristische Mittel gegen das neue Gesetz ergreifen zu wollen. Anknüpfungspunkt ist der von Premier Kenny verhängte Klubzwang, der im Widerspruch zum Prinzip des freien Abgeordnetenmandats stehe, berichtete die katholische Wochenzeitung "The Tablet". Allerdings übten Kirchenvertreter ihrerseits Druck auf die Abgeordneten aus, indem sie ihnen mit Exkommunikation drohten, sollten sie für das Gesetz stimmen.

Der Beschluss des Gesetzes gilt auch als Zeichen für den schwindenden Einfluss der katholischen Kirche, deren Ruf unter den Missbrauchsskandalen der vergangenen Jahre gelitten hat. "Die Rolle der katholischen Kirche in Irland geht zu Ende", kommentierte eine 21-Jährige Befürworterin des Gesetzes am Freitag vor dem Parlament die Entwicklung. (APA, 12.7.2013)