Zum Mediengipfel, moderiert von Armin Wolf (Mitte), trafen sich in der Hofburg (von li. nach re.): Sandro Albin vom Schweizer Gratisblatt "20 Minuten", Wolfgang Winter, General Manager Print des Red Bull Media House, Matthias Ehrlich, Aufsichtsrat von United Internet Media Deutschland, Andreas Rudas, RTL-Manager und früherer SPÖ-Geschäftsführer, sowie Niki Fellner, Chefredakteur und Geschäftsführer des Onlineablegers der Mediengruppe Österreich.

Foto: Bernhard Bergmann für Werbeplanung.at

Die Mediennutzung ändert sich. Wolfs Beweisfoto aus einem Café in San Francisco.

Foto: derStandard.at/Bürger

Für den klassischen Verlag gibt es keinen Artenschutz, sagte Rainer Esser, Geschäftsführer der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" in seiner Eröffnungsrede des Werbeplanung.at-Summits in der Wiener Hofburg. In der Keynote verglich er die Autobranche und jene der Uhrenhersteller, die auch neue Herausforderungen meistern mussten, mit der Medienbranche. Doch während die einen sich auf Messen feiern würden, herrsche bei den andern Krisenstimmung.

Esser warnte Verleger, das Angebot für Leserinnen und Leser durch Sparprogramme in den Redaktionen einzuschränken. Menschen mit Visionen hätten Marken stark gemacht, nicht Controller, sagte Esser. Er hielt ein Plädoyer für mehr Leidenschaft in der Medienbranche.

Keine Zeit für Gedöns

Chefredakteuren empfahl er, mehr Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen - auch in Führungspositionen - in die Redaktionen zu holen, um die Gesellschaft besser abzubilden. "Frauen mit Kindern haben keine Zeit für Gedöns", sagte Esser.

Positive Stimmung versuchte er auch beim Thema Internet zu verbreiten. Es sei eine phantastische Chance für Verlage, dass es jetzt einen Rückkanal gibt und Social Media sei ein Geschenk für Verlage, um Reichweite zu steigern. Esser warnt davor, Online an Print anzugleichen. Auf den beiden Kanälen müsse es unterschiedliche Inhalte geben. Online sei stärker Echtzeit-getrieben, Print biete hingegen Orientierung.

"Das digitale Zeitalter ist ein Paradies", zitierte beim Mediengipfel später auch "ZiB 2"-Anchorman Armin Wolf den "Zeit"-Geschäftsführer. Ein Paradies, in dem Menschen auf Bildschirme starren. Der Moderator präsentierte der Diskussionsrunde ein Foto aus einem Café in der Market Street in San Francisco, auf dem Gäste wie Personal auf ein Display blicken. Wäre dieses Bild vor 20 Jahren in einem Wiener Kaffeehaus aufgenommen worden, hätten alle Zeitung gelesen. Wolf: "Das Nutzungsverhalten hat sich geändert."

Transaktionsgeschäfte als Zukunftsmodell?

Online bringe aber immer noch weniger Geld als Print. Was machen Verlage falsch, fragt er Niki Fellner von der Mediengruppe Österreich. "Nichts", sagt der. Bei der klassischen Werbung sei Print noch der größere Brocken, aber durch Zusatzgeschäfte eröffneten sich neue Möglichkeiten, sagt der "Österreich"-Online-Geschäftsführer.

Starke Marken nützen, um Transaktionsgeschäfte zu machen, skizzierte Fellner das Zukunftsmodell der Medien. Die Zukunft eines Medienhauses sieht Fellner nicht nur in Inhalten, sondern in allen Gattungen, auch Produkten. "Seit wir selbst Autos verkaufen, haben wir so viele Autoinserate wie noch nie, weil Konkurrenz beflügelt", sagte Fellner.

Sandro Albin von der Schweizer Gratiszeitung "20 Minuten" sieht das anders. Ein Verlag sei kein Warenhaus. "Schuster bleib bei deinen Leisten", mahnt er, "wir wollen Content auf allen Kanälen liefern".

"Fernsehen ist Leitmedium"

Wolfgang Winter vom Red Bull Media House betonte, dass es noch immer gelinge, mit Print Geld zu verdienen. Auch Andreas Rudas, früher Politiker, heute bei der RTL Group, hob die Bedeutung von klassischen Medien hervor. "Nach wie vor ist Fernsehen das zentrale Leitmedium." Wer Werbebotschaften breit streuen wolle, müsse immer noch auf Fernsehen und Print setzen.

Ein Vorteil von Print sei die Intensität, mit der sich ein Leser einem Magazin, Winter nennt das hauseigene "Terra Mater", widme. Auch das mache die Qualität des Werbekontakts aus.

"Märkte brauchen Zeit"

Online hingegen dominieren Tausender-Kontakt-Preise und Klickraten. Diese seien eine "dumme Sache", "ein Fehler der Agenturen", sagte Matthias Ehrlich von United Internet Media in Deutschland. Print könne man nicht anklicken, trotzdem werde die Botschaft transportiert. "Auch Banner werden gelesen", sagte Ehrlich. Er forderte die Branche auf, Gewohnheiten zu ändern. "Das Neue muss gelernt werden." Und: "Märkte brauchen Zeit."

Auch bei Red Bull macht man online noch zu wenig Umsatz, sagte Winter. Ein Fehler aus den Anfängen der Onlinewerbung sei gewesen, analoge Werbung eins zu eins online zu stellen. Die Frage heute sei: wie nützt man die Kanäle? Ein "Servus"-Marktplatz sei in der Testphase, im Herbst stehe ein Relaunch an, kündigte  Winter an.

Digitale Infrastruktur

Bewegtbild werde erst dann ein Wachstumsmarkt, wenn die digitale Infrastruktur wie Straßen ausgebaut sei. Die Politik müsse auch am Land "Datenautobahnen" bauen, oft fehle die DSL-Anbindung in ländlichen Regionen, erinnerte Ehrlich.

Ein Erfolg ist das im Juni gestartete "Society TV" auf oe24.at bereits jetzt für Fellner. Das Videoangebot mache "schöne Deckungsbeiträge", könne zwar nicht mit dem ORF, aber mit manchen Privatsendern mithalten.

Obolus für Top-Content

Nicht fehlen durfte beim Mediengipfel die Frage nach dem Paid Content. Winter kann sich vorstellen, dass man künftig für Top-Content einen Obolus verlangen könne. "Aber das wird ein sehr langer Weg sein."

Bei "20 Minuten" will man weiter auf Werbefinanzierung setzen, sagte Albin. Dass man als Gratiszeitung auch ein Bezahlmodell einführen kann, wollen die Fellners der Branche beweisen. Wie Wolfgang Fellner ankündigte, soll das E-Paper kostenpflichtig werden. "Das ist im Urlaub sicher ein Erfolg – in Lignano stehen ja keine Boxen", sagte er dem "profil". "Es wird mehr Content geben", versicherte der junge Fellner am Podium. "Am Ende des Sommers wissen wir mehr."

"Big Bang Theory" für Bezahlinhalte

Auch im Internet könne man als TV-Sender erfolgreich Pay-Inhalte anbieten, versicherte Rudas. Zum Beispiel Sendungen vorab, nach sieben Tagen oder ohne Werbung. Serien für Junge wie "Big Bang Theory" seien in Kroatien oder Ungarn im Pay TV noch als dritte oder vierte Wiederholung erfolgreich. Wolfs Spitze in Richtung Fellner: "Sie müssen versuchen, die gestrige Ausgabe von 'Österreich' in Kroatien zu verkaufen!" (Sabine Bürger, derStandard.at, 11.7.2013)