S&P-Index aus dem Jahr 2000 verglichen mit dem aktuellen Verlauf des US-Marktes.

Trend Macolytics
montage: derstandard.at

Analys(t)en-Modelle zur Bewertung und Interpretation des Fortgangs der Finanzmärkte gibt es deren viele, den (Aktien)Stein der Weisen hat bis dato bekanntlich noch niemand entdeckt. Gerade deswegen verdienen oftmals vollkommen unkonventionelle Ansätze der Börsenprophezeiung durchaus Beachtung.

„Methode“ Umkehr-Chart Bob Luskin ist CEO (Chief Executive Officer) bei der amerikanischen Investment-Firma Trend Macrolytics, die eine Vielzahl institutioneller Investoren in den Vereinigten Staaten betreut. Er prophezeite schon im März dieses Jahres den US-Aktienmarkt einen spektakulären Rebound, der auch tatsächlich eintrat, und ist selbst nach etlichen Monaten stetiger Aufwärtsbewegungen unverändert optimistisch für die Aktien eingestellt. Hintergrund seiner Überlegung war und ist der auf den Kopf gestellte Chart des S&P-Index aus dem Jahr 2000, dessen Verlauf er mit der aktuellen Bewegung des US-Marktes vergleicht (siehe Grafik).

Wenn man diese sicherlich eigenwillige Chartformation nun mit einigen Fakten aus dem Jahr 2000 und dem Jahr 2003 vermischt, so wirken tatsächlich auch eine Menge an fundamentalen Daten wie auf dem Kopf gestellt respektive einem sich vorgehaltenen Spiegel:

Fundamentale Gegensätze

  • Im Jahr 2000 beendete die amerikanische Notenbank FED einen Zyklus von gestiegenen Zinsen, die Alan Greenspan und Konsorten zur Abkühlung der aus Notenbank-Sicht aus den Fugen geratenen Konjunktur mit den sattsam bekannten Auswirkungen auf den Aktienmarkt benutzten. Nun scheint die FED unmittelbar vor Beendigung des Zinszyklus nach unten zu stehen, und Alan Greenspan sieht eine irrationale Furcht vor einem weiteren Abgleiten der Wirtschaft
  • Im Jahr 2000 wußten die Vereinigten Staaten unter Führung von Präsident Clinton schon so gut wie nicht mehr, die rekordhohen Budgetüberschüsse sinnvoll zu verwenden. Nun laufen die USA wie auch etliche Euroland-Mitglieder Gefahr, die Budgetdefizite derart zu überspannen, daß ein Ausweg aus der aktuellen Verschuldungssituation immer unwahrscheinlicher wird
  • Im Jahr 2000 bildete innerhalb des TMT (Telefon, Medien, Technologie)-Segments nicht mehr „ob“, sondern nur mehr „wieviel“ Stock-Optionen als Gehaltsbestandteil für nahezu alle Angestellte das Thema . Nun streicht beispielweise Branchenriese Microsoft nicht nur sämtliche Stock-option-Pläne, sondern kauft sogar alle ausstehenden Stock-Optionen zurück – zu einem US-Cent das Stück!
  • Im Jahr 2000 war der Begriff „Substanz“ an der Börse verpönt, keine Aktienbewertung innerhalb der technologielastigen Wachstumsbranchen schien zu hoch. Nun erweckt es fast den Anschein, als würden Analysten und sonstige Experten fast zu viel Wert auf die Substanz legen – keine Aktien wirkt billig und ausreichend günstig genug bewertet
  • Im Jahr 2000 schien schon beinahe jedermann respektive -frau als Aktienguru, und jene, die sich nicht vom allgemeinen Aktienfieber an der Nasdaq, Neuer Markt und Co. erfassen ließen, wurden als ahnungslose Ignoranten abgetan. Nun sind sogenannte „sicheren“ Veranlagungen wie Anleihen und Immobilien nahezu ausschließlich en vogue, zarte Hinweise auf die auch in diesen Anlageformen steckenden Risiken werden negiert, schüchterne Bemerkungen in Richtung der in punkto Dividendenrendite schon höher als (Staats-)Anleihen liegenden Aktien mit Kopfschütteln und über den Kopf zusammenschlagenden Händen quittiert

...wer hat die beste Aktiennase im Land

Die Aufzählungen der Gegensätze aus dem Jahr 2000 und jetzt könnte sicherlich noch weiter fortgesetzt werden. Auf Basis des oben dargestellten Charts stehen uns einige Tage oder Wochen der Korrektur bevor, die jedoch danach in einem neuerlich steilen Aufstieg münden. Tatsache ist und bleibt, daß die Bewertung der Aktienmärkte vor dem Hintergrund rekordtiefer Zinsen stets eine Überlegung wert sind. Wenn jedoch wie zuletzt oftmals durch Fakten belegt die wirtschaftliche Entwicklung sowie parallel dazu die Unternehmenskennziffern zu wünschen übrig lassen, sprich keinerlei Wachstum von der Umsatzseite zu registrieren ist und allfällige selbst markante Gewinnsteigerungen „bloß“ durch Restrukturierungen zustande kommen, so wird es eher kurz denn lang zu Korrekturen auf den zuletzt boomenden Finanzmärkten kommen.

Und dann bleibt jene Frage unausweichlich, die sich etliche Finanz-Experten bereits im Jahr 2000 gefallen lassen mußten: nämlich jene, ob sie sich noch in den Spiegel schauen können!

Nachlese

--> High Noon zwischen Anleihen und Aktien
--> Bitte am Shareholder Value festhalten
--> Politischer Einfluss stützt Aktienrally
--> Widersprechen sich Aktien- und Bondmärkte?
--> Börsianer warten auf das Unwetter
--> Indexieren passé, Investieren olé
--> Der Dollar fällt und fällt und fällt ...
--> Vorsicht, Crash-Gefahr
--> Wieviel Seiten hat die Medaille?
--> Wo geht's hier zum Wachstum?
--> "Sell in May and go away ..."
--> Börsen vor der Trendwende
--> Drei Jahre Baisse reichen
--> Einer wird gewinnen
--> Schweigen in der Folterkammer
--> Politik beeinflußt die Börsen wenig
--> Die Baisse kann bis 2018 andauern...
--> 1:0 für Anleihen
--> Arme Rentner
--> Kanonendonner oder Kursfeuerwerk?
--> Gratis-Kredit für den Chef
--> Aktien-Lotto
--> Quo vadis, Greenback?
--> 100 minus Lebensalter = Börsenerfolg
--> „Bob the builder“ und US-Präsident Bush
--> Aktien oder Anleihen: The winner is ...
--> Dow Jones in Richtung 120.000
--> "Baissemarkt bis 2018"
--> Eine schöne Bescherung
--> Von Analys(t)en und Abhängigkeiten
--> Börsen vor "Happy Wende"
--> Wenn der Zauber nicht wirkt
--> Contrariens unter der Lupe
--> Börsencrash revisited
--> Jim Rogers küsst wieder in Wien
--> Bush, Greenspan, Bin Laden ...
--> Zum Verkaufen zu spät, zum Kaufen zu früh
--> Japan ist einen Börsenblick wert
--> Wie sicher sind Versicherungsaktien?
--> Droht ein neuer Ölpreisschock?