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Noch ein paar Hindernisse, und Züge fahren noch lang über die Ghega-Strecke.

Foto: AP/Ronald Zak
Grafik: Standard

Wien - Bei der bereits abgeschlossenen Umweltverträglichkeitsprüfung  für den Semmeringbasistunnel (SBT) häufen sich Auffälligkeiten und Ungereimtheiten. Nach wasser- und naturschutzrechtlichen Bedenken sowie massiver Kritik an mangelndem Schutz für das Weltkulturerbe "Semmeringbahn und umgebende Landschaft" dürfte sich der Verwaltungsgerichtshof bald auch geologischen Problemen widmen müssen.

Der Grund: Geologen und mit ihnen die Natur- und Landschaftsschutzorganisation Alliance for Nature wittern beim SBT nun auch noch ein strahlendes Problem. Denn im Berg zwischen Niederösterreich und Steiermark, konkret im Gebiet Rettenegg - Pfaffensattel - Fröschnitzgraben lagern Uranerze. Die sind in der UVP, deren Bescheid beim Höchstgericht bekämpft wird, allerdings mit keiner Silbe erwähnt. Der emeritierte Geologieprofessor von der Universität Salzburg, Wolfgang Vetters, mahnt deshalb dringend, Vorsorge zu treffen - sowohl bei den Arbeiten im Tunnel als auch bei Verbringung und Lagerung des Aushubmaterials. Radioaktives Aushubmaterial müsse entsprechend der Strahlenschutzverordnung behandelt werden, sagte Vetters auf Anfrage des Standard.

Ausstrahlung positiv

Dass in der UVP jegliche Hinweise hinsichtlich potenzieller Strahlenbelastung fehlen, empört Tunnelgegner Christian Schuhböck von Alliance for Nature: "Das ist absolut inakzeptabel und amtswidrig, dass das Uranerz in der UVP nicht vorkommt", sagt Schuhböck zum Standard . Die Bevölkerung müsse laut Gesetz über sämtliche Risiken des Großprojekts informiert werden, schließlich könnte radioaktiver Aushub durch Quell- und Regenwasser ausgespült werden, was Boden und Wasser kontaminiere.

Wider Erwarten aufgespürtes radioaktives Material in Longsgraben zu deponieren komme sowieso nicht infrage, stellt der in das UVP-Verfahren involvierte Gutachter Leopold Weber klar. Falls doch eines gefunden werden sollte, würde selbiges wie Sondermüll entsorgt. Aber: "Es ist absolut kein Risiko erkennbar. Das Uranerzvorkommen ist gut 6,6 Kilometer von der Tunneltrasse entfernt und hat daher keine Berührungspunkte mit der Trasse", beschreibt der pensionierte Ministerialrat, der im Wirtschaftsministerium die Abteilung Montan und Rohstoff geleitet hat, die Problemlage. Theoretisch seien es maximal 200 Meter Gesteinsgebiet, das vom Tunnel angequert oder durchörtert werden könnte, führt der Herausgeber des "Handbuches der Lagerstätten der Erze, Industrieminerale und Energierohstoffe Österreichs" aus, in dem das Uran am Semmering beschrieben ist

Die Frage, warum das Uran ohne Bohrungen so präzise lokalisiert werden könne, pariert Weber so: Der Fund sei in den 1970er-Jahren hinsichtlich wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeiten untersucht, aber als unwirtschaftlich qualifiziert und verworfen worden, Das 1972 beschriebene Uranerz sei bestenfalls von mineralogischer Bedeutung.

In diesem Sinne argumentiert auch Bauherr ÖBB-Infrastruktur. Mineralogische und abfallchemische Untersuchungen hätten ergeben, dass das Vorkommen - über das wissenschaftliche Interesse hinaus - irrelevant sei.

Wie auch immer die Causa ausgeht: Auf die Umweltverträglichkeitsprüfung für den SBT wirft die Causa Uran kein gutes Licht. Die Bürgerinitiative "Stopp den Bahn-Tunnelwahn" fordert prompt den sofortigen Baustopp in der 2008 fixierten Pfaffensattel-Variante. Man werde nicht hinnehmen, das Bundeskanzler Werner Faymann, Verkehrsministerin Doris Bures, der steirische Landeshauptmann Franz Voves (alle SPÖ) und sein Pendant aus Niederösterreich, Erwin Pröll (ÖVP) "über Leichen gehen", schreibt Initiator Peter Derl.

Für Anti-Atom-Frontmann Pröll muss die Causa Uran überhaupt peinlich sein, denn das teilkonzentrierte Genehmigungsverfahren für den Tunnel im Naturschutzgebiet wurde in St. Pölten bereits durchgewunken. Die Steirer werden in ihrem Verfahren um die Behandlung der Uranerzlinsen) wohl nicht herumkommen. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 11.7.2013)