Bild nicht mehr verfügbar.

Statt eines Wirrwarrs nationaler Aufseher will Michel Barnier die Abwicklung von Pleitebanken künftig einheitlich steuern. Die deutsche Regierung spricht von einer Befugnisübertretung.

Foto: Reuters/François Lenoir

Wien - Wann und vor allem wie sollen marode Banken, wie etwa in Österreich die Hypo Alpe Adria, abgewickelt und geschlossen werden? Seit Wochen ringt die Regierung um eine Einigung mit der EU-Kommission, denn bisher ist der Umgang mit Pleitebanken in der Union weitgehend den Nationalstaaten überlassen.

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat am Mittwoch einen Vorschlag präsentiert, durch den die zentralen Befugnisse zur Auflösung und Zerschlagung maroder Institute nach Brüssel übertragen werden sollen. Konkret möchte Barnier ein neues Abwicklungsgremium einrichten. Sollte eine Bank in eine dramatische Schieflage geraten, wäre es Aufgabe des Gremiums zu analysieren, ob die Fortführung des Instituts Sinn macht oder nicht. Auf Grundlage dieser Analyse würde die EU-Kommission entscheiden, ob die betreffende Bank geschlossen werden muss.

Um die Steuerzahler zu schonen, will Barnier einen 55 Milliarden Euro schweren Abwicklungsfonds einrichten, der durch Beiträge der Institute (bemessen an Größe und Risikogewichtung) gespeist wird. Sollte der Fonds Auszahlungen tätigen, müssten die Banken Mittel nachschießen.

Die neue Abwicklungsbehörde soll seine Arbeit ab Jänner 2015 aufnehmen, der Fonds wäre dann innerhalb von zehn Jahren zu befüllen. Das neue System soll es vor allem ermöglichen, mit grenzüberschreitenden Probleminstituten effektiver umgehen zu können, sagte Barnier. Daneben sieht die Kommission den Aufbau einer Bankenunion als ein zentrales Instrument zur Stabilisierung des Euroraums. Die Eurokrise ist ja durch spektakuläre Pleiten von Geldhäusern (Irland, Spanien, Zypern) befeuert worden (s. Wissen).

Deutscher Widerstand

Ob Barniers Pläne Realität werden, erscheint derzeit allerdings zweifelhaft. Besonders in Deutschland regt sich Widerstand. Die Regierung in Berlin argumentiert, dass die Kommission sich zu weit reichende Befugnisse geben wolle, was durch die EU-Verträge nicht gedeckt wäre. Ein Vorwurf, den Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch neuerlich erhob. Aus Diplomatenkreisen ist dagegen zu hören, dass Berlin das legistische Argument vorschiebt. Tatsächlich wolle Deutschland seine Sparkassen und Volksbanken vor zusätzlichen Kosten bewahren - diese Kleininstitute wären ja von der Beitragspflicht zum Abwicklungsfonds nicht befreit. Der regionale Bankensektor ist in Deutschland stark ausgeprägt, allein dem Deutschen Sparkassenverband gehören 600 Unternehmen an, wodurch er ein machtpolitischer Faktor ist.

Der Bankenexperte Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim bezeichnet die Skepsis Berlins als verständlich: "Die Sparkassen haben ihre Probleme, etwa bei der Pleite eines ihrer Mitglieder, bisher selbst finanziell regeln können", sagt Burghof, "für sie macht das neue System wenig Sinn, und sie haben zu Recht Angst davor, dass der Barnier-Vorschlag nur den Großbanken auf Kosten der Kleinen nützt."

Im österreichischen Finanzministerium wird der Abwicklungsmechanismus grundsätzlich begrüßt. Doch selbst wenn Deutschland seinen Widerstand aufgibt, müssten die Regelungen von den Regierungen und dem EU-Parlament angenommen werden, weshalb sich noch einiges ändern werde.

Kritik an den Plänen kommt aber von namhaften Ökonomen: Finanzprofessor Dirk Schoenmaker meint etwa, die neuen Instrumente seien zahnlos, besonders das Abwicklungsgremium bräuchte mehr Kompetenzen. Entscheidet die Kommission, eine Bank zu schließen, obliegt es zunächst nämlich auch künftig den nationalen Aufsehern, die notwendigen Schritte (Schließungsbeschluss, Verkauf von Filialen) zu setzen. Erst wenn Aufseher säumig werden, darf das Abwicklungsgremium direkt eingreifen. "Nationale Aufseher werden wichtige Schritte weiter verschleppen können" , so Schoenmaker. (András Szigetvari, DER STANDARD, 11.7.2013)