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Justizministerin Beatrix Karl wird die Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen in den nächsten Tagen der Öffentlichkeit präsentieren, kündigt ÖVP-Chef Michael Spindelegger an.

Foto: apa/Fohringer

Wien - Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) gerät wegen der Missbrauchsfälle im Jugendstrafvollzug zunehmend unter Druck. "Die Zustände sind unhaltbar, man muss sie verbessern", sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Mittwoch über den Jugendstrafvollzug.

Die Vorkommnisse seien "nicht kleinzureden", es zeige sich, "es ist kein Einzelfall", meinte der Kanzler in Richtung der Justizministerin. Die Missstände seien ernst zu nehmen und Veränderungen nötig. Er sei aber "überzeugt, ein verantwortungsvolles Regierungsmitglied macht das auch so", er "stehe da hinter ihr". Aber: "Ich erwarte klare Änderungen."

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim setzt sich unterdessen für die Wiedereinrichtung eines eigenen Jugendgerichtshofs in Wien ein. Dieser war im Jahr 2003 unter der schwarz-blauen Regierung von Kanzler Wolfgang Schüssel aufgelöst worden.

Spindelegger lehnt Rücktritt ab

Vizekanzler und ÖVP-Chef Michael Spindelegger lehnt einen Rücktritt Karls weiterhin kategorisch ab, wie er im STANDARD-Gespräch festhält. Karl habe nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle im Jugendstrafvollzug richtig reagiert und bereits alle notwendigen Schritte eingeleitet. Sie werde diese Konsequenzen in den nächsten Tagen der Öffentlichkeit präsentieren. Einen Rücktritt Karls hatte unter anderen der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser gefordert.

Auch ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath stärkte Karl den Rücken: "Die neuen vier Missbrauchsfälle sind erst durch den Berichtsauftrag der Justizministerin bekannt geworden. Wer da von Untätigkeit spricht, redet wider besseres Wissen."

Karl weiter gegen Jugendgerichtshof

Karl selbst meldete sich mittlerweile in der "Kleinen Zeitung" erstmals seit mehreren Tagen zu Wort. Eine Untersuchungskommission, wie sie unter anderem das BZÖ gefordert hat, lehnt sie darin ab: "Alle Verdachtsfälle wurden sofort angezeigt, die Staatsanwaltschaft ermittelt."

Sie habe volles Vertrauen in die Arbeit der Staatsanwaltschaft, eine Untersuchungskommission sei deshalb nicht notwendig. Auch die Wiedereinführung eines Jugendgerichtshofs lehnt Karl weiterhin ab. "Das ist eine ideologische Forderung", wurde die Ministerin zitiert. Es gebe schon heute eigene Jugendabteilungen bei Gericht.

Taskforce will Neuerungen erarbeiten

Der Leiter der von Karl eingesetzten Taskforce "Jugend U-Haft" will über den Sommer Neuerungen erarbeiten, die für jugendliche Tatverdächtige zu Verbesserungen führen und im Idealfall ihre U-Haft vermeiden, jedenfalls verkürzen sollen. Das kündigte Michael Schwanda, Sektionschef für den Strafvollzug im Justizministerium, am Mittwoch an.

Nach Schwandas Vorstellungen sollen künftig nach der Festnahme und Überstellung von Jugendlichen in eine Justizanstalt unverzüglich Vertreter der Jugendgerichtshilfe oder der Kinder- und Jugendanwaltschaft beigezogen werden. Sie sollen etwa an Einvernahmen der Beschuldigten durch den Staatsanwalt beziehungsweise den Haft- und Rechtsschutzrichter teilnehmen, der über die Verhängung der U-Haft entscheidet.

Damit sollen Fälle wie jener des in einer Zelle der Justizanstalt Wien-Josefstadt missbrauchten 14-Jährigen verhindert werden, der nach mehrwöchiger U-Haft und einer dabei erlittenen Vergewaltigung wegen verminderter geistiger Reife auf freien Fuß gesetzt wurde, nachdem ihm ein psychiatrisches Gutachten eine solche bescheinigt hatte.

Auch die nun bekannt gewordenen sexuellen Übergriffe auf Jugendliche in Gefängnissen in Graz und Linz hatten jeweils in den Hafträumen stattgefunden. Das gab der Leiter der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl, bekannt. Ein weiterer Übergriff in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf bei Wien dagegen habe sich im an sich überwachten Fitnessraum ereignet - aber genau in der Zeit, bevor die Insassen hinaus ins Freie dürften. Zu diesem Zeitpunkt stünden alle 30 Zellentüren offen, die beiden diensthabenden Justizwachebeamten könnten nicht alles zugleich überwachen.

Betreuungsverhältnis

Im Jahr 1999 gab es in Österreich rund 3300 Justizwachebeamte, die Zahl der Insassen lag bei etwa 7000. Heute arbeiten in heimischen Gefängnissen rund 3000 Justizwachebeamte, fast 10.000 Menschen sitzen hinter Gittern eine Strafe ab. Das Betreuungsverhältnis hat sich also verschlechtert. Zugenommen hat allerdings die Anzahl von Personal abseits der Justizwache. Die dafür zuständige, vor vier Jahren gegründete Agentur für Personalbeschaffung in der Justiz hat derzeit etwa 250 Angestellte, von Sozialarbeitern bis Ärzten. (red, DER STANDARD, 11.7.2013)