STANDARD: Nach dem Kassasturz: Wie geht es Ihnen in Sparzeiten als Kulturlandesrat?

Wolfgang Waldner: Das Geld ist knapp, wir haben einen Rucksack umgehängt bekommen, der noch unsere Kinder und Kindeskinder belasten wird. Uns eint der Wille, dass wir es besser machen wollen. Aus diesem Willen heraus haben wir das Regierungsprogramm entwickelt. Es herrscht ein neuer Geist. Aber natürlich ist ein Sparkurs notwendig, wir sitzen auf einem gigantischen Schuldenberg. Der Kassasturz ist entsprechend deprimierend. Unsere Arbeitsschwerpunkte sind daher: Aufräumen der Vergangenheit, Offenlegen problematischer Vorgänge, Schwerpunkte setzen. Wir wollen das Ansehen des Landes wiederherstellen, wir machen Schluss mit inszenierter Selbstdarstellung.

STANDARD: Wie sieht es budgetmäßig aus?

Waldner: Was alles überlagert, ist der notwendige Sparkurs. Bisher gab es ja nicht einmal Rechnungsabschlüsse für die letzten zwei Jahre. Am Donnerstag wird das Budet im Landtag debattiert, nachdem wir es in der Regierung beschlossen haben. Das war aber erst die Aufwärm- oder Fingerübung für die eigentliche Aufgabe: Ende Juli haben wir eine Budgetklausur, da werden wir die Budgets 2014/15 angehen und einen Budgetpfad bis zum Ende unserer Legislaturperiode entwickeln mit dem Ziel: Nulldefizit 2015, Erfüllung der Maastricht-Kriterien und EU-Vorgaben.

Das wird extrem schwierig, weil in diese Richtung in der Vergangenheit nichts getan wurde. Der Vorgänger von Gaby Schaunig als Finanzlandesrat hat nicht nur Schulden nicht zurückgezahlt, sondern auch keine Zinsen, und er hat auch keine Tilgungsrücklagen gebildet. Wir sind ab nächstem Jahr mit 170 Millionen Euro endfälligen Schulden konfrontiert.

STANDARD: Sie sprechen von Schwerpunkt setzen: Wie geht das in dieser angespannten Situation?

Waldner: Das ist extrem schwer. Aber ich bin dabei, zumindest keine Verringerung der Kulturbudgets zu erzielen. Es war schon für das Restbudget 2013 schwer genug, im Rahmen zu bleiben. Der Anteil an Kürzungen in meinem Budget entspricht in etwa meinem Anteil am Gesamtbudget. In der Kultur habe ich mehr Ermessensspielraum als in meinen anderen Referaten. Aber natürlich werden wir auch im Kulturbereich unseren Sparbeitrag leisten und uns an Strukturreformen beteiligen.

STANDARD: Sparen im Kulturbereich ist für das Gesamtbudget nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein.

Waldner: Das war genau mein Argument. Mir stehen 4,13 Prozent des Gesamtbudgetvolumens in der Höhe von 2,3 Milliarden Euro zu. Ursprünglich wollte man mir zum notwendigen Sparaufkommen 12 oder 13 Prozent  zumuten. Ich habe lange verhandelt, am Ende sind genau vier Prozent für alle meine Referate (neben Kunst und Kultur noch Land- und Forstwirtschaft, Tourismus, Wirtschaft und, gemeinsam mit Landeshauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig, Bedarfszuweisungen Gemeinden, Anm.) herausgekommen. Darauf bin ich wirklich stolz, denn diese vier Prozent schaffen wir schon, vor allem auch durch Umstrukturierungen, effizientes Verwalten und das Schaffen von Synergien.

STANDARD: Ein großer Budgetbrocken war und ist das Landesmuseum.

Waldner: Stimmt. Und auch ein Beispiel für Strukturreform. Es war schon schwer genug, für notwendige Not- und Sicherungsmaßnahmen das Geld aufzutreiben beziehungsweise das Okay zu bekommen, das Geld aus dem eigenen Budget zu verwenden, da gab es bekanntlich eine viermonatige Verzögerungstaktik der FPK. Am Ende ging es dann doch durch. Tatsache ist: Das Landesmuseum gehört nicht nur vermieterseitig, also baulich saniert. Die LIG (Landesimmobiliengesellschaft Kärnten, Anm.) hat es nicht gemacht. Jetzt wurde sie dazu gezwungen, weil ich dem Museum empfohlen habe, die Miete so lange einzubehalten, bis das geschieht.

STANDARD: Wie lange wird die Sanierung dauern?

Waldner: Eineinhalb bis zwei Jahre. Parallel dazu entwickeln wir einen Plan für die Neugestaltung einzelner Bereiche. Es gibt ein Organisationskonzept von Dieter Bogner aus dem Jahr 2004, das man eigentlich nur zu übernehmen bräuchte: etwa die Schaffung eines Volkskundezentrums, in dem Volkskundesammlung, Volkskundeinstitut, das Freilichtmuseum Maria Saal und das Landwirtschaftliche Museum Ehrental zusammengelegt werden. Damit schafft man Platz im Landesmuseum.

Auch Depots werden dadurch entlastet, wobei wir mittels einer Studie gerade ermitteln, ob zentrale oder dezentrale Depots sinnvoller sind. Und auch, ob ein Erweiterungsbau oder der Ausbau und die Veränderung der Außenstellen Sinn machen. Bogner schlägt etwa vor, dass man frühchristliche und römische Sammlungen außer Haus konzentriert, so dass man das Haupthaus für andere Zwecke nutzen kann. Im Regierungsübereinkommen steht, dass das Landesmuseum neu positioniert werden und es dafür auch eine Sonderfinanzierung geben muss - übrigens der einzige Punkt, wo es die geben wird, weil man die Kosten nicht aus dem laufenden Budget bestreiten kann.

STANDARD: Wie hoch wird diese Sonderfinanzierung sein?

Waldner: Das wissen wir noch nicht. Wir entwickeln verschiedene Module und müssen dann sagen, das ist uns 20, 30 oder 50 Millionen Euro wert - oder: Das können wir uns überhaupt nicht leisten. Dann haben wir zumindest das basissanierte Museum. Das wäre aber die absolute Minimalvariante.

STANDARD: Seit der Wahl sind Sie nicht nur für die sogenannte Hoch-, sondern auch für die Volkskultur zuständig. Welche Änderungen sind da geplant?

Waldner: Wir haben etwa den Heimatherbst abgeschafft. Ich habe nichts gegen Volkskultur, im Gegenteil, wohl aber gegen Volkstümelei und Missbrauch und Instrumentalisierung der Volkskultur. Genau das ist mit dem Heimatherbst passiert. Man hat vorhandene Projekte genommen und gesagt: Wir bieten euch eine gemeinsame Vermarktung. Da wurden 600.000 Euro in die Gesamtbewerbung gestopft.

Ich schaffe jetzt eine Verbindung von Zeitgenössischem und Volkskultur. Eine Jury, in der Wissenschafter ebenso vertreten sind wie Ausstellungskuratoren, soll auf Brauchtums-Qualitätskriterien achten. Statt 160 Projekten gibt es jetzt vielleicht nur 30, aber das sind solche, die man wirklich als Volkskultur bezeichnen kann, die aus dem Brauchtum kommen, traditionelles Kunsthandwerk. In jedem größeren Ort wird es eine Veranstaltung geben, das Ganze heißt jetzt Kulturherbst Kärnten. Brauchtum ist ein Teil dieses Kulturherbstes. Gleichzeitig wird in dem Folder auch die Transformale beworben: Das ist ein Projekt, um Kunst, Wirtschaft und Tourismus unter einen Hut zu bringen. Es gab mehr als 100 Einreichungen, 22 Projekte wurden von den Kuratoren ausgewählt. Ich hoffe, dass wir dadurch die Barrieren zwischen Volks- und Hochkultur, zwischen Kultur und Tourismus verringern.

STANDARD: Was waren die Vorgaben für die Transformale?

Waldner: Man musste den Bereich Kunst und Kulinarik verknüpfen. Da gibt es sehr ernsthafte, aber auch sehr lustige Sachen, zum Beispiel eine Kasnudel, die über die Drau fährt - angelehnt an das Floß von Hubert von Goisern auf der Donau. Kick-off wird im September am Pyramidenkogel sein, weil man von dort aus alle Projekte sehen kann.

STANDARD: Was passiert mit dem Steinhaus von Günther Domenig in Steindorf?

Waldner: Da habe ich einen neuen Vorstand bestellt: Wirtschaftsberater Adolf Rausch und Anwalt Hannes Pflaum sind geblieben, neu dazugekommen ist der Domenig-Schüler Christian Halm, der an der FH Spittal Architektur unterrichtet, sowie der Chef der Kärnten-Werbung, Christian Kresse. Auch beim Steinhaus wollen wir die Anbindung an den Tourismus forcieren, Synergien schaffen etwa mit der Carinthischen Musikakademie. Das Land ist laut Stiftungsvertrag nach Domenigs Tod Letztbegünstigter. Wir haben keine Verpflichtung, finanziell etwas beizutragen. Wir tun es aber trotzdem. Die Verantwortung ist beim Stiftungsrat, aber wir werden als Land dafür sorgen, dass das Steinhaus als internationales Aushängeschild erhalten bleibt.

STANDARD: Zuletzt war Kärnten vor allem durch den Bachmann-Preis und dessen angedrohtes Ende im Gespräch. Wären Sie eingesprungen?

Waldner: Nein. Meine Haltung ist: Bachmann-Preis ja, aber nicht zulasten anderer Kulturtreibender des Landes. Ich habe auch geraten, aus den anderen Landesbudgets ebenfalls nichts dafür herzugeben. Es wäre das falsche Signal. Wie erkläre ich den anderen Kulturschaffenden - viele davon sind fast am Verhungern -, dass ich in den nächsten Jahren fünfmal 70.000 Euro aus Kulturmitteln einsetze? Nun ist Hans Peter Haselsteiner von sich aus an uns herangetreten und hat die Verbindung zu Porcia hergestellt. Und ich habe ein Wiener Traditionsunternehmen als Sponsor des Bachmann-Preises gewinnen können.

STANDARD: Dem Carinthischen Sommer wurden vergangenes Jahr 50.000, heuer und nächstes Jahr 100.000 Euro an Subventionen vom Land gekürzt. Darf der Intendant ab 2015 wieder auf mehr Geld hoffen?

Waldner: Es blutet mir das Herz, aber ich muss mich schon anstrengen, dass ich gleich viel geben kann. Ich sehe so viele Künstler, die großartige Arbeit machen, die in der inneren Emigration waren in den letzten Jahren. Für sie alle möchte ich etwas tun. Es geht ja nicht immer nur um Geld, nicht nur um Wertschöpfung, sondern um Wertschätzung. Ich möchte mein Kulturbudget auch für Projekte vor Ort, in den Regionen einsetzen. Es gibt viele Perlen, sie zu fassen und zu einer Perlenkette zu reihen ist unsere Aufgabe.

STANDARD: Die Seebühne zählt nicht zu diesen Perlen.

Waldner: Nein. Da ist seit zehn, zwölf Jahren alles falsch gelaufen. Im Vertrag zwischen Land Kärnten, Stadt Klagenfurt und der Messe GmbH, die wiederum eine Landestochter ist, steht, dass die Wörtherseebühne vom Stadttheater zu bespielen ist, was in den ersten zwei Jahren gemacht wurde, aber seit zehn Jahren nicht mehr. Außerdem war ein operatives Ergebnis anzupeilen. Das hat auch nicht geklappt. Ausgaben von 650.000 Euro pro Jahr standen ziemlich gleichbleibend Einnahmen von 45.000 Euro gegenüber. Natürlich werden laufende Verträge eingehalten.

Aber klar ist auch: Solange ich Kulturreferent bin, wird es keine Subventionen aus dem Kulturbudget geben. Ab August ist die Bühne im Eigentum der Messe GmbH, bisher gehörte sie einer Hypo-Tochter, und die Messe musste Leasingraten zahlen, die wir wiederum refundiert haben. Wir haben bis Jahresende Zeit, den Vertrag zu kündigen. In der Zwischenzeit muss uns der Messechef sagen, welche Projekte geplant sind - und wir werden im Seebühnenausschuss, dessen Vorsitz ich habe, diskutieren, ob das Land zahlen wird - auf keinen Fall aus dem Kulturbudget. Für die Starnacht gab es beispielsweise pro Jahr 200.000 Euro aus dem Volkskulturbudget, dazu noch 100.000 Euro Subventionen von der Stadt Klagenfurt. Das ist ein Millionengrab. Selbst wenn überhaupt nichts stattfindet, kostet die Bühne 300.000 Euro pro Jahr.

STANDARD: Welche neuen Schwerpunkte möchten Sie setzen?

Waldner: Etwa zur Erinnerungskultur. Ich habe zum Beispiel für den Loibl, die Außenstelle von Mauthausen, 60.000 Euro lockergemacht. Das ist nicht viel Geld, aber ein Zeichen. Baukunst wird stärker betont werden. In einer Novelle zur Kulturförderung habe ich einen Baupreis für Architektur gesetzlich verankert. Oder Literatur und Verlagswesen: Kärnten hat proportional zur Bevölkerung die meisten Verlage, da will ich Geld investieren. Noch im Herbst habe ich 50.000 Euro freigemacht und den Verlagen zur Selbstverwaltung gegeben. Das will ich weiterführen und aufstocken. Ich möchte eine Film Commission einführen, denn Kärnten hat auch Tradition als Filmland. Ich möchte die Vernetzung forcieren, die Regionen betonen, Projekte unterstützen, die es schon gibt: zum Beispiel Gmünd, wo Erika Schuster grandiose Arbeit leistet und einen ganzen Ort für Kunst begeistern kann und Gmünd in eine Künstlerstadt verwandelt hat. Oder Werner Hofmeisters Museum für Quellenkultur. Ich sehe unsere Aufgabe darin, zu vernetzen, nachhaltige Strukturen zu fördern und mich dann zurückzuziehen und erst wieder einzugreifen, wenn Hilfe nötig ist. Da kann man mit weniger Geld mehr erzielen.

Ich möchte auch in die Kreativwirtschaft investieren: Es gibt nächstes Jahr jeweils eine Million in allen Bezirken. Leerstehende Gebäude in öffentlicher Hand werden saniert und revitalisiert, verbunden allerdings mit einer Betriebspflicht für Kreativwirtschaftsunternehmen, nicht Kunsthandwerk oder Co-Working-Spaces. Die Herausforderung war, den Bürgermeistern, die alle das Geld wollen, erst einmal klarzumachen, was Kreativwirtschaft ist. Wir halten uns an die UNESCO-Definition: wo durch künstlerisch-kreative Leistungen wirtschaftlicher Mehrwert in Form einer Beschäftigung entsteht. Da braucht es Infrastruktur, Nahversorgen, das macht mir Spaß: ganzheitliche Projekte zu schaffen. Das wird beispielsweise aus dem Gemeindebudget bezahlt, ist aber ein Kulturprojekt. (Andrea Schurian, derStandard.at, 10.7.2013)