Salzburg/Linz - Forscher an der Universität Salzburg und der Universität Linz haben beobachtet, dass die Teilchen einer bestimmten Silber-Verbindung bei sehr niedrigen Temperaturen ein ganzes Stück näher zusammen rücken. Kühlt man das Material von Zimmertemperatur auf minus 173 Grad herunter, dann nähern sich die Metallatome von 350 auf 318 Milliardstel Millimeter (Pikometer) an. Eine derart große Verschiebung von um die zehn Prozent wurde bei dieser Art von Substanz bisher noch nie festgestellt. Für ein Drittel des Effekts haben die Wissenschafter bereits Erklärungen gefunden, den Rest wollen sie auch noch aufklären.

Das Phänomen der Veränderung von Atomabständen ist bereits lange bekannt: Wird es wärmer werden sie ein wenig größer, beim Abkühlen wird der Abstand enger. Im Normalfall wird der Zwischenraum auch bei sehr tiefen Temperaturen lediglich ein bis höchstens drei Prozent kleiner, erklärte Raphael Berger vom Fachbereich Materialwissenschaften der Uni Salzburg.

Die nun gefundenen zehn Prozent Annäherung bedeuten aber, "dass sich die Metallatome schon fast so nahe kommen, wie im Silbermetall selbst", so der Chemiker über die in der Fachzeitschrift "Organometallics" publizierte Arbeit. Das ist erstaunlich, da sie in der salzartigen Substanz "Silber(I)-Biscarbenhexafluorophosphat" nicht direkt miteinander verbunden sind.

Gründe für diesen in der metallorganischen Chemie bisher einzigartig großen Effekt liegen einerseits darin, dass die Atome in dem Festkörper schwingen. "Die Schwingung geht normalerweise, wie auf einer Kinderschaukel, nach links und nach rechts. Das Kind ist im Durchschnitt in der Mitte. Unsere Atome schaukeln aber nicht gleichförmig", so Berger. Der Weg nach außen fällt ihnen nämlich leichter, als zueinander. Diese Asymmetrie in der Bewegung nennt sich "Anharmonizität". "Wenn dieses Phänomen auftritt, dann treten auch thermische Effekte verstärkt auf. Bei höherer Temperatur werden die Abstände dann größer", erklärte Berger.

Einflussreiche Relativitätstheorie

Interessant sei auch, dass die beobachteten Silber-Silber Wechselwirkungen maßgeblich von Effekten, die mit der Relativitätstheorie zusammenhängen, beeinflusst werden. Dass dem so ist, sei auch eine Überraschung, da der Einfluss der Relativitätstheorie eigentlich erst bei der Beschreibung des Verhaltens schwererer Elemente, wie Gold, eine entscheidende Rolle spielt.

Rechnen die Wissenschafter diese Phänomene in ihr Modell hinein, erklären sie aber nur etwa ein Drittel des gefundenen Effekts. "Wir haben aber schon ein paar Ideen, wo der Rest herkommen könnte und werden dort weiterforschen", so Berger.

Da diese Silber(I)-Carbene unter Lichteinstrahlung himmelblau leuchten und diese Fluoreszenz vom Atomabstand abhängt, ändert sich die Wellenlänge des Lichts mit der Temperatur. Berger: "Man könnte zum Beispiel daran denken, ein Material herzustellen, das unter UV-Einstrahlung bei verschiedenen Temperaturen verschiedene Farben hat." Hier sei die Fantasie von Materialwissenschaftern und Ingenieuren gefordert. (APA/red, derStandard.at, 13.07.2013)