Zwei Versionen stehen einander gegenüber, wie es zum Blutvergießen kam, bei dem Montagfrüh vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garden mindestens fünfzig Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Morsi getötet wurden. Sicher ist nur: Genau das hätte nicht passieren dürfen.

Dass die Muslimbrüder ihre Entmachtung nicht einfach so hinnehmen würden und dass ihr Protest nicht immer friedlich ablaufen würde - dass Teile sogar bewusst auf Eskalation setzen könnten -, wusste jeder. Nur die Super-Armee, die behauptet, die Lösung für die Probleme Ägyptens parat zu haben, war nicht darauf vorbereitet. Man eröffnet einfach das Feuer und erschießt die "Terroristen".

Und das passiert in einen totalen politischen Fehlstart hinein. Den Chef des Obersten Verfassungsgerichtshofs, Adly Mansur, nach dem Putsch zum Präsidenten zu machen war noch einigermaßen geschickt: Er war politisch nicht punziert. Das ist bei dem Oppositionellen Mohamed ElBaradei nicht der Fall, den man zum Premier machen wollte. Zwar hat der Jurist durchaus auch die Fähigkeiten eines Technokraten, aber er ist - weil Feindbild nicht nur der Muslimbrüder, sondern auch der Salafisten - als integrative Figur ungeeignet. Nach dem Massaker von Montag wenden sich die Islamisten nun ohnehin vom politischen Prozess ab: ein Sektor, der bei den letzten Wahlen auf 70 Prozent der abgegebenen Stimmen kam. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 9.7.2013)