Die Telekom Austria hat ihre skandalumwitterte Tochter Mass Response Service (MRS) zwar verkauft und aus der Bilanz bekommen, Mitspracherechte hat sie aber noch länger: Der neue Eigentümer muss ihr erst noch 2,8 Millionen Euro Kaufpreis abliefern.
Wien - In der Causa Mass Response Service (MRS; sie stellt u. a. Technologie für Televotings und Kundencenter-Lösungen bereit) ermittelt die Staatsanwaltschaft immer noch. Sie prüft, ob es beim Teilverkauf der MRS an die Telekom Austria (TA) 2007 zu Kickbacks gekommen ist; zudem geht es um Betrugsverdacht bei Call-in-Fernsehshows. Am Zug ist derzeit der Sachverständige und Wirtschaftsprüfer Gerhard Altenberger, er hat aber erst Teilgutachten vorgelegt. Detail dazu: Für seine Arbeit (und die seiner Hilfskräfte) von Oktober bis Dezember 2012 hat er am 7. Jänner Rechnung gelegt (59.508 Euro) - angewiesen hat die Justiz die Zahlung recht rasch, nämlich zehn Tage später.
Die TA hat die MRS im Herbst 2011 an den damaligen Technikchef Franz Pichler verkauft - und damit eine Menge Probleme aus der TA-Bilanz bugsiert. Denn die MRS hatte Verluste geschrieben, 2010 fast 18 Mio. Euro. Beim Verkauf hat die TA das Unternehmen mit Liquidität versorgt. 2012 (die schlüpfrigen Call-in-Shows wurden gestoppt) ist der Umsatz von 37 Mio. auf 6,4 Mio. Euro geschrumpft; das Betriebsergebnis verbesserte sich auf 275.000 Euro.
Die TA unter Hannes Ametsreiter hat sich bei der Trennung von der MRS allerdings sehr weitgehende Rechte vorbehalten, wie sich aus dem Kaufvertrag erschließt. Manager Pichler hat für die MRS 100.000 Euro in bar auf den Tisch gelegt - weitere 2,8 Millionen Euro muss er nun abstottern. Dieser variable Teil des Kaufpreises beträgt jeweils 37,5 Prozent vom Jahresüberschuss (nach Körperschaftssteuer), wurde fürs vorige Geschäftsjahr erstmals fällig - die letzte Rate muss Pichler spätestens 2025 bezahlen. Die 2,8 Mio. Euro werden auch fällig, wenn Pichler die MRS vor 2030 (und vor vollständiger Bezahlung) weiterverkauft (der Passus gilt mit einer Ausnahme).
Placet von Telekom
Bis 2025 bzw. bis zur endgültigen Bezahlung hat die TA nicht nur volle Einsicht in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der MRS, sondern auch jede Menge Mitsprache. Ob Kundenverträgen mit einem Volumen von mehr als 500.000 Euro oder Stilllegung und Aufnahme von neuen Geschäftssparten: Die TA muss schriftlich ihr Placet dazu geben, und tut dies nur, wenn ein "positiver Businessplan" vorgelegt wird.
Abseits dieser gängigen Absicherungen, die bewirken sollen, dass die börsennotierte TA an den vollen Kaufpreis kommt, sind noch weitere, recht spezielle Details vereinbart worden. So hat sich der Käufer verpflichtet, dass der ehemalige MRS-Eigner und Gründer, Herbert Dvoracek, bis Ende 2015 "weder direkt, noch indirekt" an der MRS beteiligt oder "Organ der Gesellschaft" wird. Wie berichtet ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den MRS-Gründer; er bestreitet die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung. Eine Anzeige rund um die Gebarung der einstigen Mass-Response-Verantwortlichen stammt ja von der TA; sie wurde jedoch jüngst durch eine bei der Justiz eingebrachte Stellungnahme der MRS relativiert.
Auch an die interimistische MRS-Geschäftsführerin Marlis W. wurde in dem Vertrag gedacht. Die TA-Managerin war von Jänner 2010 bis zum Verkauf bei der MRS tätig - ihrer Entlastung für 2011 "zu bewirken" hat sich die Telekom verpflichtet. Und MRS-Käufer Pichler versprach, gegen W. "keine Ansprüche, insbesondere gerichtliche auf Schadenersatz" zu stellen.
Der MRS-Eigner sieht sich durch den "Abnahmevertrag" mit der TA "nicht eingeschränkt; ich bin komplett verfügungsberechtigt". Weder er noch die TA ("Solche Klauseln sind üblich") bestätigen die Details, denn es wurde Geheimhaltung vereinbart. Pichler geht davon aus, den vollen Kaufpreis für die MRS in den nächsten fünf Jahren zu bezahlen. Und: "Die Übernahme ist aus heutiger Sicht ein Riesenerfolg." (Renate Graber, DER STANDARD, 9.7.2013)