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Siegte in Klagenfurt: Katja Petrowskaja aus Berlin.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Ich habe spät mit der deutschen Sprache angefangen", sagt Katja Petrowskaja, "deshalb bin ich im Deutschen noch minderjährig." Dieses Selbsturteil der Autorin muss man nach ihrem sonntägigen Sieg beim Bachmannpreis als allzu bescheiden zurückweisen.

Mit ihrem bei Suhrkamp erscheinenden Text "Vielleicht Esther" hat sie die generell als streng und angriffslustig verrufene Jury der "Tage der deutschsprachigen Literatur" in Klagenfurt am meisten überzeugt. Und sie setzte noch eins drauf: "Ich hätte mir eigentlich etwas mehr Kritik gewünscht."

Katja Petrowskaja ist ein Kind des Ostens, aufgewachsen im Kiew der 1970er- und 1980er-Jahre, zu einer Zeit, als die Ära der Selfmade-Individuen noch nicht angebrochen war, sondern die Uniformität des Komsomol das Heranwachsen prägte. Doch Petrowskaja hat sich all dem als Sechzehnjährige entzogen. Nach der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl wurde die Schülerin von ihren Eltern nach Deutschland geschickt, "um eine Zukunft zu haben".

Sie lernte Deutsch, ging für das Studium der Literaturwissenschaften aber nach Estland sowie später für die Promotion nach Moskau. Seit 1999 lebt sie nun in Berlin, hat geheiratet und wurde Mutter zweier Kinder.

Vor der russischen Sprache ist sie geflohen. "Ich habe Angst vor ihr", bekennt sie und meint damit die Respekt einflößenden literarischen Autoritäten. "Da habe ich das Gefühl von 'Big Brother'."

Vielleicht Esther, die Geschichte einer in Kiew 1941 von den Nationalsozialisten deportierten und erschossenen jüdischen Urgroßmutter, wird das erste Buch sein, das von Katja Petrowskaja erscheint. Bei ihrer halbstündigen Lesung in Klagenfurt erhielt die 43-jährige Autorin satten Applaus und gar Bravorufe.

Dass sie selbst Jüdin ist, sei ihr erst spät im Leben bewusst geworden, meint Petrowskaja. Den Wert biografischer Informationen tut sie leichthändig ab und meint: "Warum soll ich sagen, wer ich bin? Das ist überhaupt nicht interessant."

Wichtig war immer die Literatur: "Das Schreiben entwickelt sich aus der Unfähigkeit, etwas zu akzeptieren, aus einer Art Lebensschwäche." In dieser Aussage mag noch das Enge-Empfinden einer ukrainischen Kindheit nachhallen. Heute schreibt Petrowskaja für russische und deutsche Zeitungen. Seit 2011 erscheint in der "FAZ" ihre Kolumne "Die west-östliche Diva". (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 08.07.2013)