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Die US-Notenbank Fed habe die Zinsen auf unsinnig niedriges Niveau sinken lassen.

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Michael Hasenstab: "Irland hat die Latte hoch gelegt. Kein anderes Land hat die Reformen so angepackt."

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STANDARD: Die Ankündigung der US-Notenbank Fed, ihr Anleihen-Kaufprogramm zu drosseln, hat an vielen Bond-Märkten zu einem Minicrash geführt. Hat Fed-Chef Bernanke einen Fehler gemacht?

Hasenstab: Irgendwann muss er das Anleihenprogramm stoppen. Die US-Wirtschaft hat sich ja stabilisiert. Sie boomt nicht, der Arbeitsmarkt bleibt schwach, aber die Situation in den USA verbessert sich. Gleichzeitig ist die Politik der US-Notenbank heute genauso aggressiv wie am Höhepunkt der Finanzkrise 2008 und 2009. Das macht keinen Sinn. Anleger und Unternehmen müssen sich auf höhere Zinsen einstellen.

STANDARD: Schon länger sagen viele Fondsmanager und Ökonomen steigende Zinsen voraus. Was ist diesmal anders?

Hasenstab: Eins ist klar: Die Fed ist aktuell der größte Käufer von Staatsanleihen, und das Finanzministerium hat ein jährliches Defizit von 1500 Milliarden Dollar. Wenn also das Angebot an Schulden weiter steigt und der wichtigste Käufer den Markt verlässt, weiß ich nicht, wer stattdessen die Papiere zeichnen wird. Solange es keinen neuen Käufer gibt, müssen die Zinsen steigen.

STANDARD: Wie hoch werden denn die Renditen sicherer Staatsanleihen, etwa in den USA, steigen?

Hasenstab: Es ist schwierig, das genau einzuschätzen. Wir stellen uns die Frage: Macht eine zehnjährige Rendite von zwei Prozent Sinn? Die Antwort darauf ist Nein.

STANDARD: Wie hoch müssen denn die Zinsen steigen, damit Anleihen wieder Sinn machen? Am Freitag sind sie auf ein Zwei-Jahres-Hoch von 2,7 Prozent gestiegen.

Hasenstab: Die langfristigen Renditen müssen viel höher liegen, bei vier oder fünf Prozent. Das würde im Einklang mit dem aktuellen Wachstum und der Inflationsrate stehen. Derzeit gibt es zwei Prozent Inflation und zwei Prozent Wachstum in den USA, und dennoch werfen die Anleihen eine negative reale Rendite ab.

STANDARD: Nach wie vor haben Sie eine große Position in Irland, knapp zehn Prozent Ihres Fonds. Sie sind damit einer der wichtigsten Gläubiger des Landes, ernten dafür Lob aus Irland, aber Kritik von so manchem Kollegen. Wie riskant ist die Position?

Hasenstab: Wir finden Irland nach wie vor interessant. Diese Position wurde von Mitbewerbern kritisiert, auch weil sie die Chancen verpasst haben. Die Irland-Geschichte ist aber fundamental weiter intakt, das Land wächst und zieht Reformen durch. Ja, es ist eine große Position, aber relativ zu unserem verwalteten Vermögen ist sie klein und überschaubar.

STANDARD: Gibt es in Europa andere Krisenländer, denen Sie mittlerweile das Vertrauen aussprechen?

Hasenstab: Nein, in den Portfolios halten wir nur Irland. Irland hat die Latte hoch gelegt. Kein anderes Land hat die Reformen so angepackt. Italien, Spanien und Portugal haben Schritte in die richtige Richtung unternommen, und sie hatten Anpassungen bei den Lohnkosten. Der Vorteil der Iren ist, dass sie eine wirklich wettbewerbsfähige Wirtschaft haben und exportieren können. Das können die anderen nicht. Irland hat einen der flexibelsten Arbeitsmärkte Europas, als Resultat daraus wachsen sie fast so schnell wie Deutschland. Die Vorlaufindikatoren sind sogar noch besser.

STANDARD: Ein Land, das Jahrzehnte in einer Dauerkrise verweilte, war Japan. Wird die Zentralbank Erfolg haben, die Wirtschaft mit billigem Geld aus dem Konjunkturtal zu stoßen?

Hasenstab: Die Änderungen in Japan sind einschneidend. Nach zwei Jahrzehnten kraftlosen Wachstums haben die Japaner wegen der anhaltenden Deflation dennoch positive Realzinsen. Der aggressive Schritt hat geholfen, die Senkung der Realzinsen hat den Aktienmarkt angeschoben. Aber der reale Grund für die Politikänderung ist ein anderer.

STANDARD: Welcher denn?

Hasenstab: Dem japanischen Finanzministerium gehen die Käufer für die Schulden aus. Der japanische Leistungsbilanzüberschuss schmilzt so langsam dahin, also müssen die Staatsschulden im Land selbst verkauft werden. Wer ist aber der letzte verbleibende Käufer? Die Zentralbank. Japan kann sich deutlich höhere Zinsen einfach nicht leisten. Sonst sind sie insolvent, sie haben ja bereits Schulden über 200 Prozent des BIP.

STANDARD: Aber wird die Geldschwemme in Japan bleiben oder auch ins Ausland fließen?

Hasenstab: Als Japan Mitte der 1990er-Jahre massiv Geld gedruckt hat, ist es nach Asien geflossen. Die Banken haben nicht in Japan das Geld verliehen, sondern im asiatischen Ausland, etwa in Thailand. Das hat zur Asienkrise 1997 beigetragen und die Blase verstärkt. Heute ist das Problem um ein Vielfaches größer. Daher muss man annehmen, dass auch heute Geld aus den USA, Europa und Japan fließen wird und in die Schwellenländer geht. Sollte Japan wirklich seine Reserven ins Ausland verschieben, wäre das eine massive Geldflut, die auf die Schwellenländer zurollt.

STANDARD: Viele Länder versuchen sich mit Kapitalverkehrskontrollen vor einem "Währungskrieg" zu schützen. Mit Erfolg?

Hasenstab: Kapitalkontrollen waren eine totale Niederlage, etwa in Brasilien. Deswegen musste das Land diese auch wieder abschaffen. Kapitalkontrollen funktionieren nicht, sie verzerren die Märkte, und Investoren schaffen es meistens, sie zu umgehen. Aber die Währungskrieg-Rhetorik wird uns noch länger begleiten. Brasiliens Premier nannte die Geldpolitik der USA einen globalen monetären Tsunami. Das ist richtig.

STANDARD: Wo befürchten Sie aktuell Blasen am Anleihenmarkt?

Hasenstab: In den meisten Ländern sind die langfristigen Staatsanleihen uninteressant. Bei den vermeintlich sicheren Papieren wie US- oder deutsche Staatsanleihen. Die Zinsen dort werden künstlich niedrig gehalten. Ich möchte heute keine Papiere mit Zinsrisiko halten.

STANDARD: Sie fürchten Kapitalverluste für viele Anleger?

Hasenstab: Genau. Viele Investoren ignorieren das und sitzen auf enormen Zinsrisiken. Wenn die schlagend werden, werden Anleger leiden.

STANDARD: Auch Ihre Fonds haben zuletzt gelitten, wegen fallender Währungen in Schwellenländern.

Hasenstab:Nicht alle Verluste sind gleich. Wir haben kein Geld verloren, weil die langfristigen Zinsen gestiegen sind. Wir haben eher gelitten, weil es einen Ansteckungseffekt der Schwellenländer gab. Doch Verluste mit Zinsen wird man nicht wieder wettmachen, weil die Zinsen nicht wieder fallen werden. Aber wenn man temporär mit Währungen aus den Schwellenländern verliert, wird man sich wieder erholen können. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 8.7.2013)