Eines der anregendsten Teilgebiete der Linguistik ist und bleibt die sogenannte Onomastik. Der Onomastiker beschäftigt sich mit der Lehre von den Namen. Typische Fragen, die den Onomastiker interessieren, lauten etwa: Warum heißt der Großglockner Großglockner? Warum die Donau Donau? Und warum Michael Spindelegger Michael Spindelegger? Alles Probleme, die einer Erörterung wahrlich würdig sind.

Die Onomastik ist beruflich vielversprechend, weil ihr nie die Untersuchungsobjekte ausgehen. Ständig werden neue Dinge erfunden, und diese neuen Dinge wollen benannt werden. Die Kenntnis der neuen Namen haben wir Nachgeborenen den Vorfahren voraus. Auch ein Sprachgenie wie Goethe hätte mit den Wörtern Facebook oder Twitter nichts anfangen können, und ein Shitstorm hätte Schiller so ratlos gelassen wie Schopenhauer.

Ein Wort, das derzeit die geballte Aufmerksamkeit der Onomastiker verdienen würde, ist die Maus. Warum der am 2. Juli verstorbene US-Wissenschafter Douglas C. Engelbart sein in den 1960ern erfundenes Computer-Zeigegerät gerade "Maus" nannte, liegt im Nebel der Geschichte. Angeblich soll, so die Süddeutsche Zeitung, "ein Mitarbeiter Engelbarts in dem Kasten samt Kabel und Druckknopf ein Abbild des Nagers" erkannt haben.

Dieser Mitarbeiter Engelbarts war offenbar ein Exzentriker. Denn was eine echte Maus und eine Computermaus gemeinsam haben, ist äußerstenfalls die Größe. Damit hören sich die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Die Computermaus hat kein Fell, keine Krallen und keine Knopfaugen, und selbst mit dem saftigsten Stück Käse würde man sie keinen Millimeter aus der Reserve bzw. ihrem Loch locken. Umgekehrt hat die Echtmaus weder ein Kabel noch Tasten noch einen Maustreiber, den man vor ihrer Inbetriebnahme installieren muss; die Echtmaus bewegt sich ganz von selber. Auch Doppelklicks sind auf echten Mäusen ziemlich schwierig.

So gesehen hätte Engelbart die Computermaus statt Maus genauso gut Schaumspitz, Rollwurschtel oder Sau nennen können. "Meine Sau ist kaputt, ich brauch eine neue!" "Mein Saupad ist total verdreckt!" "Von der vermaledeiten Klickerei krieg ich noch einen Sauarm": Solche Sätze bekommen wir nie zu hören. Warum eigentlich nicht? Das, meine Damen und Herren Onomastiker, sollten sie tunlichst bald einmal erforschen. (Christoph Winder, DER STANDARD, 6./7.7.2013)