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Die Amerikaner setzen auf amerikanischen Käse, der selbst in Form der US-Präsidenten produziert wird. Da will man den "widerlich fauligen" Käse aus Frankreich nicht haben.

Foto: Reuters/Milich

Pariser Medien sprechen schon von "Käsekrieg", und amerikanische Gourmets rufen den französischen General zu Hilfe, der im 18. Jahrhundert bei der Bildung der USA gegen die britische Krone geholfen hatte: "Monsieur Lafayette, kommen Sie den Mimolette retten!"

Mimolette ist ein würziger Hartkäse aus Nordfrankreich. Unter Kennern auch "Kugel von Lille" genannt, ähnelt er dem holländischen Gouda. Er ist weniger berühmt als der Camembert, Cantal oder Comté, setzt aber jährlich immerhin 3000 Tonnen um. Sein nussähnliches Aroma verdankt er winzigen Löchern in der Kraterrinde. Und diese Lüftungsschächte werden von Milben gebohrt. Sie halten sich einzig in der harten, nicht essbaren Rinde auf. Anders als etwa Schimmelpilze oder natürliche Bakterien anderer Käsearten gelangen sie im Normalfall nicht in die Verdauung.

Die amerikanische Nahrungsmittelkontrolle rümpft nun trotzdem die Nase. Mit einem Mal sperrt die Food and Drug Administration (FDA) die Einfuhr des nordfranzösischen Käses. Zur Begründung meint sie mit unüberbietbarer Deutlichkeit, der Mimolette sei eine "widerliche, faulige und zersetzte Substanz", die Allergien bewirken könne und deshalb zum Konsum ungeeignet sei.

Gelagert beim Zoll

Seit März lagern 1,5 Tonnen Mimolette beim amerikanischen Zoll; mangels Importerlaubnis müssen sie bald einmal vernichtet werden. Dem französischen Exporteur Isigny Sainte-Mère droht auf einen Schlag ein Schaden von einigen Hunderttausend Euro. Früher hatte die FDA den orangen Rundkäse stets passieren lassen. Mimolette-Hersteller César-Yves Losfeld wundert sich: "Das Reglement hat sich nicht geändert, die FDA legt es bloß strenger aus." Mit einem Mal stört sie sich an der Präsenz einiger Milben pro Quadrat-Inch - auf einen Quadratzentimeter Rindenoberfläche kommt nicht einmal einer dieser mikroskopisch kleinen Gliederfüßler.

Über die Gründe für die Kehrtwende der Amerikaner können die Franzosen nur spekulieren. Der Isigny-Verantwortliche Benoît de Vitton ortet einen "präzisen und vorsätzlichen Willen" der Amerikaner. Wollen sie zu Beginn der Freihandelsverhandlungen mit der EU Druck machen oder ein Verhandlungspfand schaffen? Richtet sich die Mimolette-Ächtung gegen Frankreich, das sich im Vorfeld der Gespräche quergelegt hatte, bis der Kultur- und Medienbereich von den Gesprächen ausgenommen wurde?

Protektionismus-Opfer

Ironischerweise verdankt der Mimolette seine Existenz der Globalisierung: Der merkantilistische Minister Colbert hatte den Käse im 17. Jahrhundert herstellen lassen, als er die Einfuhr der Edamer-Konkurrenz aus Holland unterband. Heutzutage wird französischer Käse bisweilen selbst ein Protektionismus-Opfer: Die Amerikaner verdreifachten zum Beispiel schon die Einfuhrzölle auf Roquefort oder verboten Rohmilchkäse.

Allerdings gibt es in den USA einige Mimolette-Liebhaber - und denen fehlt nun etwas auf dem Teller. "Lasst uns Käse essen, der stinkt", lautet ein sarkastischer Kommentar unter den 3000 Unterzeichnern eines Internetaufrufs. Ein Blogger klagt seinerseits, in den USA sei es "einfacher, eine Waffe als Käse zu kaufen". Die französischen Hersteller denken bereits darüber nach, die Rinde vor der Ausfuhr in die USA abzuschneiden und durch eine Wachshaut zu ersetzen. Das wäre sauberer und ziemlich steril. Aber Hand aufs Herz: Wäre es noch Mimolette? (Stefan Brändle, DER STANDARD, 6.7.2013)