Empfiehlt auch dem ORF klarere Kriterien für öffentliches Geld: Standard -Herausgeberin Föderl-Schmid (mit Gewerkschafter Bauer, Bornemann (ORF), Göweil ("Wiener Zeitung"), (v. li.).

Foto: STANDARD/Newald

Wien - Da staunt auch die Schweizerin: "Ein originelles Datum, um zu feiern." So eröffnet Ingrid Deltenre einen Debattendonnerstag über öffentlich finanzierte Medien. Die "Wiener Zeitung" lud zu ihrem 310. Gründungsjahr ins "Media Quarter" in St. Marx.

Deltenre ist Generalin der Generäle des Gebührenfunks: Sie steht der europäischen Rundfunkunion EBU vor und präsentiert das Bukett, was die öffentlichen und öffentlich-rechtlichen Sender so wollen. Und wohl weil viel klingt, wie ORF-Chef Alexander Wrabetz es sagen könnte, der im EBU-Board sitzt, betont sie: "Das ist nicht mit dem ORF abgesprochen."

Kooperation

Einzigartig seien die Beschränkungen des ORF in sozialen Medien (die der Verfassungsgerichtshof gerade hinterfragt). Private und öffentlich-rechtliche Medien hätten viel gemein; Zeitungen und Funk brauchten einander, für Qualität hüben und drüben. Also mögen sie im Internet kooperieren. Gerade hat Deltenre noch erzählt vom "Kartell" der Schweizer Verleger und der SRG aus den 1960ern bei der Vermarktung von Fernsehwerbung.

Die EBU-Generalin sagt aber auch, was der ORF-Chef vielleicht so nicht sagen würde: "Politiker wissen genau, wie wichtig glaubwürdige Medien sind und versuchen, sie unter ihre Kontrolle zu bringen. Das ist in fast allen Ländern der Fall, auch in der Schweiz." Wiewohl dort und hier weniger schlimm als in Italien, in Ungarn oder gar in Griechenland, wo die Regierung den Staatsfunk abdrehte. Redakteurssprecher Dieter Bornemann weiß vom ORF zu ergänzen: "Der Finanzdirektor gehört der ÖVP, der General der SPÖ." Die Redakteure aber bewiesen ihre Unabhängigkeit. "Die sich politisch andienen, sind eine Minderheit, aber eine Minderheit, die häufig Karriere macht."

Kontrollverlust

Fast griechisch grob wird Medienrechtler Alfred Noll, wenn er Österreichs "Massenmedien Instrumente der Vereinfachung, Desensibilisierung, Personalisierung, der kontinuierlichen Lese-Entmächtigung" nennt, ja "Werkzeuge der Entdemokratisierung". "In dem Maß, in dem sich die Politik Medien andient", etwa mit Inseraten wohl, "in dem Maß lässt die Kontroll- und Reflexionsleistung der Medien nach."

Massenmedien meint wohl vor allem den Boulevard, vermuten die Journalisten auf dem Podium und verwahren sich wie gegen Nolls Ziel werbefreier Finanzierung: Alexandra Föderl-Schmid (STANDARD), Antonia Gössinger ("Kleine Zeitung"), Journalistengewerkschafter Franz C. Bauer ("Trend", "Profil"), Bornemann und Andreas Koller ("Salzburger Nachrichten"). Koller sagt, "ich liebe jeden Inserenten - er ist ein Beitrag zur Unabhängigkeit vom Staat".

Redakteursstatut

Reinhard Göweil, lange Wirtschaftsressortchef des "Kurier", bevor er Chefredakteur der "Wiener Zeitung" wurde, sieht "nicht a priori mehr Unabhängigkeit bei privaten Medien". Föderl-Schmid vermutet eine Anspielung auf "Kurier"-Haupteigentümer Raiffeisen. Göweil, zuvor beim STANDARD, revanchiert sich: Könnte sie sich vorstellen, die Presseförderung (etwa neben Kriterien wie Aus- und Weiterbildung, Frauen in Führungspositionen, Teilnahme am Presserat, Transparenz von und Regeln für Einladungen) auch an ein Redakteursstatut zu knüpfen, das der STANDARD bisher nicht hat? Föderl: "Warum nicht?" Ein Statut wünscht sich auch Wolfgang Riedler, Manager der "Wiener Zeitung", für seine Redaktion, zwecks Unabhängigkeit von Eigentümer und Geschäftsführung, sagt er.

Klarere Kriterien für öffentliches Geld, das empfiehlt Föderl-Schmid auch für den ORF, "nach denen er etwa seinen Kultur- und Bildungsauftrag erfüllt - Beispiel Bachmannpreis". (fid, DER STANDARD, 5.7.2013)