Wenn Mohammed Morsi bisher der am kürzesten regierende Präsident Ägyptens war, dann hält Adly Mansur, der am Donnerstag als Staatschef angelobt wurde, einen noch viel spektakuläreren Negativrekord: Er war genau drei Tage lang Chef des ägyptischen Obersten Verfassungsgerichtshofs, bevor ihn die Armee Mittwochabend an die Spitze des Staates putschte. Erst im Mai war er ernannt worden, seinen Posten trat er nach Pensionierung seines Vorgängers Maher El-Beheiry am 1. Juli an.

Bis die Bilder von seiner Angelobung um die Welt gingen, fand sich in den Archiven nur ein älteres Foto, das einen unauffälligen grauhaarigen Mann mit großer Brille zeigte: Auch in Ägypten ist Adly Mansur weitgehend unbekannt, als "Oppositioneller" wäre der Richter wohl niemandem sofort in den Sinn gekommen. Ernannt hat ihn erst im Mai Präsident Morsi, den er nun beerbt - aber an den Obersten Verfassungsgerichtshof kam er noch unter Hosni Mubarak. Ab 1992 diente er als Stellvertreter des Höchstrichters.

Adly Mansur war jedoch keine auffällige Wahl Morsis: Eine neue Regelung von 2011 besagte, dass der neue Chef innerhalb des Gerichtshofs zu wählen sei, und für die Ernennung braucht es auch die Zustimmung der anderen Höchstrichter. Mansur war führend an der Verfassung des Wahlgesetzes für die Präsidentschaftswahlen beteiligt, die im Juni 2012 den Muslimbruder Morsi ins Amt brachten. Dass er schwer zuzuordnen ist, ist für seine derzeitige Position bestimmt kein Nachteil.

Mansur wurde im Dezember 1945 in Kairo geboren, ist verheiratet und hat einen Sohn und zwei Töchter - natürlich alle erwachsen. Nach seinem Jus-Abschluss in Kairo trat er 1967 in den Staatsdienst ein und passierte als Jurist verschiedenste Stationen. Seine akademische Ausbildung betrachtete er aber nach seinem Berufsantritt keinesfalls als beendet: Es folgten Abschlüsse in Wirtschaft und Management sowie ein Studium an der renommierten französischen École Nationale de l' Administration in Straßburg, wo er 1977 graduierte.

Mit Straf- und Zivilrecht hatte Adly Mansur in seiner Karriere genauso zu tun wie mit religiösem Recht. Er kennt also den islamischen Hintergrund, der die Muslimbrüder antreibt, sehr gut. Auch von einer kurzen Zeit, die er als Berater in Saudi-Arabien verbrachte, ist in den Biografien die Rede. Die erste Gratulation kam von König Abdullah aus Riad. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 5.7.2013)