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Mursi sprach von einem "Staatsstreich des Militärs".

Foto: AP/Alleruzzo

Mohammed Mursi war der fünfte ägyptische Präsident seit der Revolution, die im Jahr 1952 die Monarchie stürzte. Der Muslimbruder, der zuvor die nach der Revolution 2011 neugegründete Freiheit- und Gerechtigkeitspartei geführt hatte, gewann die Präsidentschaftsstichwahlen am 16./17. Juni 2012 mit 51,7 Prozent gegen Ahmed Shafik – der als Kandidat der Armee galt – und trat sein Amt am 30. Juni an. Seine Amtszeit dauerte demnach ein Jahr und drei Tage. Damit unterbot er auch den Vorgänger Gamal Abdul Nassers, Mohammed Naguib, der vom Juni 1953 bis zum November 1954 regierte.

Kurz vor Mursis Wahlsieg beschnitt der Oberste Militärrat, der nach dem Sturz Hosni Mubaraks am 11. Februar 2011 die Macht übernommen hatte, die Gewalten des kommenden Präsidenten empfindlich: Zum Beginn seiner Amtszeit sah Mursi demnach zuerst nach einer lahmen Ente aus. Er versuchte vergeblich, das von der Verfassungsjustiz aufgelöste Abgeordnetenhaus – in dem die Muslimbrüder 45 Prozent der Mandate hatten – wieder einzusetzen, musste jedoch nach geballtem Widerstand zurückkrebsen.

Die Sinai-Krise – der Zusammenbruch der Sicherheit auf der Halbinsel – im August 2012 nützte er jedoch geschickt, um gegen die Spitzen der Armee vorzugehen. Er hob ihre Dekrete auf und entließ Feldmarschall Hussein Tantawi und seinen engsten Kreis. Das jüngste Mitglied des Militärrats, den Infanteriegeneral und damaligen Chef des Militärgeheimdienstes, Abdulfattah al-Sisi, machte er zum neuen Armeechef und Verteidigungsminister. Über al-Sisi, einen frommen Muslim, hieß es immer wieder, er sei der Mann der Muslimbruderschaft in der Armee. Das hat er nun wohl gründlich wiederlegt.

Auseinandersetzung mit Armee

Mursis Amtszeit war geprägt von der Auseinandersetzung zuerst mit der Armee – mit der er sich dann aber recht gut arrangierte und auch keinen Versuch machte, ihre verfassungsmäßige Sonderrolle einzuschränken – und mit der Justiz. Als die Auflösung auch der Verfassungskommission drohte, die ja vom aufgelösten Abgeordnetenhaus bestellt worden war, schlug er zu. Um die neue Verfassung durchzubringen, schränkte Morsi im November 2012 die Rechte der Justiz vorübergehend ein, indem er seine eigenen Entscheidungen für unanfechtbar erklärte.

Da hatte er das Vertrauen vieler Menschen bereits verloren, die  auch angesichts der Alternative – Ahmed Shafik war Hosni Mubaraks letzter Premier gewesen – bei den Wahlen für ihn gestimmt hatten. Aber allein schon das Antreten der Muslimbrüder zu den Präsidentschaftswahlen war ein  Bruch eines Versprechens gewesen: Sie hatten nach der Revolution 2011 versichert, dieses Amt nicht anzustreben. Ihr Wille zur Macht setzte sich jedoch bald durch.

Mohammed Mursi war nur die zweite Wahl als Präsidentschaftskandidat der Muslimbrüder gewesen: Der eigentliche Wunschkandidat Khairat al-Shater wurde wegen der Green Card seiner Mutter von den Wahlen ausgeschlossen.

Bei den Muslimbrüdern ist Mursi seit 1979, das ist auch das Jahr, in dem er an die University of Southern California ging, wo er in Ingenieurswissenschaften promovierte. Bis 2010 war er Professor an der Universität Zagazig. Für die Muslimbrüder saß er als Unabhängiger im Parlament.

Den Ausbruch der Revolte gegen Hosni Mubarak erlebte er im Gefängnis, aus dem er am 30. Jänner 2011 gemeinsam mit anderen hochrangigen Muslimbrüdern – unter ihnen Shater – gewaltsam befreit wurde. Daraus versucht ihm die Justiz jetzt einen Strick zu drehen. Die Botschaft ist klar: Der Mann gehört ins Gefängnis. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 4.7.2013)