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Die Wissenschaftler stellten in ihrem Feldexperiment fest, dass Nachtfluglärm das Stresshormon Adrenalin steigert und die Gefäßfunktion signifikant verschlechtert.

Foto: APA/dapd/Mario Vedder

Mainz - "Wir wissen, dass Fluglärm Bluthochdruck, Herzinfarkte und auch Schlaganfälle auslösen kann. Die genauen Mechanismen, die zu diesen Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen, waren bisher jedoch nicht bekannt", sagt Thomas Münzel, Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. Nach Einschätzung des Mediziners bedeuten die Ergebnisse einer kürzlich abgeschlossenen Studie einen Durchbruch im Bereich der Fluglärmforschung: "Diese Studie zeigt ganz konkret auf, wie und bei welchen Schallpegeln Gefäßschäden entstehen."

Im Rahmen der Untersuchung wurden 75 gesunde Männer - ohne diagnostizierte Vorschädigung des Herz-Kreislauf-Systems - in randomisierter Abfolge während des Schlafs drei unterschiedlichen Lärmszenarien ausgesetzt. Das Durchschnittsalter der Probanden lag bei 26 Jahren.

"In diesen Lärmszenarien haben wir Nachtflüge mit einem durchschnittlichen Lärmwert von 60 Dezibel simuliert und die Probanden zu Hause dieser Lärmbelastung in einem Feldversuch ausgesetzt. In den unterschiedlichen Versuchsanordnungen wurden die Teilnehmer einer Geräuschkulisse von jeweils 30 und 60 simulierten Nachtflügen ausgesetzt. Als Kontrolle diente ein 'lärmfreies Nacht-Szenario'", erklärt Studienleiter Frank Schmidt von der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik.

Verschlechterung der Gefäßfunktion durch oxidativen Stress

Die Wissenschaftler stellten fest, dass Nachtfluglärm das Stresshormon Adrenalin steigert und die Gefäßfunktion, die mit hochauflösenden Ultraschallgeräten gemessen wurde, signifikant verschlechtert. "Unsere Studienergebnisse belegen, dass in gleicher Weise wie die Fluggeräusche zunehmen die Erweiterungsfähigkeit der Arterien (Endothelfunktion) abnimmt und sich eine sogenannte endotheliale Dysfunktion entwickelt", berichtet Schmidt.

"Bemerkenswert ist, dass sich die durch Lärm ausgelöste Gefäßschädigung durch Vitamin C korrigieren lässt" betont Thomas Münzel. Das bedeutet, dass in den Gefäßen als Folge des Lärms viele freie Radikale gebildet werden, welche die Gefäßfunktion negativ beeinflussen. Für die Forscher besteht deshalb Grund zur Annahme, dass die Verschlechterung der Gefäßfunktion durch oxidativen Stress ein wichtiger Mechanismus für die Entstehung von lärmbedingtem Bluthochdruck und möglicherweise dessen Folgen wie Herzinfarkt und Schlaganfall ist.

"Ebenso konnten wir einen sogenannten 'Priming'-Effekt beobachten: Eine Beschallung mit 30 Überflügen induzierte bei einer nachfolgenden Nacht mit 60 Überflügen eine deutlich schlechtere Gefäßfunktion. Das bedeutet, dass man sich im Rahmen von mehreren Beschallungen nicht an den Fluglärm gewöhnt, sondern das Ausmaß der Gefäßschäden eher zunimmt", lautet die Schlussfolgerung von Münzel. Die Experten betonen aber, dass die festgestellten Zusammenhänge noch in weiteren Studien intensiv geprüft werden müssen. (red, derStandard.at, 3.7.2013)