Neues von der britischen Band "Editors" auf "The Weight Of Your Love".

Foto: Matt Spalding

EDITORS
The Weight Of Your Love
(Pias/Rough Trade)

Tom Smith und seine britischen Trauerweiden versuchten sich früher als erdgrabschwere Vertreter des gehobenen Gothic Rock in der Tradition von Joy Division. Deren Namen durfte man zwar nicht aussprechen, weil die Editors selbstverständlich "ihr eigenes Ding durchziehen". Geklungen hat es trotzdem so. Das neue Album allerdings schreit nun mitunter sehr heftig danach, dass die Musiker endlich Geld sehen wollen. Das führt bei britischen Bands einerseits zur Hinwendung zu U2 und verhallten Gitarrenwänden, die aus Zirp, Klingklang und sehr viel Hall als Fugenkitt gebaut werden. Andererseits haben die Musiker die Matura im Freifach Pathos für Stadien, aber mit der Auflage nicht sooo peinlich wie die Vorbilder zu werden.

Das endet bei den Editors dann in einer gewissen Versteinerung hin zu den ebenfalls nicht gerade taufrischen Simple Minds, deren Frontmann Jim Kerr Tom Smith sehr genau studiert hat. Außerdem wurden die Mollakkorde auf den Gitarren gegen von Keyboards gewobene Flokatiteppiche ausgetauscht und ein wenig mit läppischer Boyband-Selbstergriffenheit aufgebauscht. Meine Güte, das klingt so traurig wie ein ganzer Maturajahrgang verdrussaffiner Teenager an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Manchmal allerdings kriegen die Editors gerade noch die Kurve. Mit dem Song Ton Of Love und dem Erweckungsruf "Desire! Desire!" sowie zwei, drei Songs, die auch Bruce Springsteen geschrieben haben könnte, wenn er zu schlechter britischer Ernährung und Pub statt Holzhacken als Fitnessprogramm neigen würde, kann man das alles allerdings durchgehen lassen. Die Welt ist schön, aber das Leben ist traurig.

PHARMAKON
Abandon
(Sacred Bones)

Die junge US-amerikanische Musikerin Margret Chardiets mag extemporierenden Ausdrucksgesang ebenso wie alte, harte, an der Grenze zum Industrial alter Schule angesiedelte Elektronikbretter. Außerdem schreit sie gern - was aber in dieser Welt meistens kein Schaden ist, weil alle anderen ohnehin immer schon viel zu laut sind. Hallo, ist da jemand?! Das kleine Ich bin ich! Ob das jetzt wirklich in die Breite gehen kann, bleibt zu bezweifeln, in die Vollen geht es auf jeden Fall. Veröffentlicht wird auf dem amerikanischen Drogenfresser-Label Sacred Bones, das mit diesem harten Album sein Spektrum von Krautrock über Neopsychedelia bis zu mitunter gar fadem Collegerock gehörig Richtung Ungustldasein erweitert. Auf dem Cover sieht man den Schoß der dankenswerter eh bekleideten Künstlerin von Maden bedeckt. Dieses Bild sagt uns etwas!

BOSNIAN RAINBOWS
Bosnian Rainbows
(Clouds Hill)

Omar Rodriguez-Lopez war früher Gitarrist bei At-The-Drive-in und The Mars Volta, genießt also kultische Verehrung an der Schnittstelle von US-Hardcore, Neo-Psychedelia, Daddel-Rock und Diddel-Jazz-Freakout. In den vergangenen drei, vier Jahren veröffentlichte er gefühlte 30 Soloalben, die man als so etwas Ähnliches wie ein akustisches Tagebuch durchgehen lassen kann, wobei dazu anzumerken ist, dass nicht jeder Tagebuchschreiber immer einen guten Tag hat, wenn er sich mit Kumpels im Proberaum in länglichen Jamsessions selbst finden will. Diese neue Band geht mit renommierten Musikern aus dem experimentelleren Rocksektor etwas geordneter vor. Man hat neben Rodriguez-Lopez mit der mexikanischen Punksängerin Teri Gender Bender auch eine, nun ja, ausdrucksstarke Selbstverwirklichungssängerin vorzuweisen und poltert, frickelt und kracht auf Albumlänge irgendwo im Niemandsland von Jazzcore, Hardcore, Pink Floyd mit Magenkrämpfen und immer wieder kurz aufpoppender Eingängigkeit dahin. Das ist doch nett! Nachdenkliche junge Leute, die sich mit Poststrukturalismus oder dem Einbruch der Popmusik in die Musik Miles Davis' auseinandersetzen, lieben das. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 5.7.2013)