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Beate Zschäpe am Dienstag im Gerichtssaal.

Foto: EPA/MARC MULLER

München - Sie schweigt und verweigert jede Aussage. Beate Zschäpe verfolgte aber gespannt, was Ermittler im Schwurgerichtssaal des Oberlandesgerichts München über Gespräche mit ihr erzählten. Denn in der Zeit kurz nachdem sie sich der Polizei gestellt hatte, plauderte die Hauptangeklagte im NSU-Prozess offenbar mehrmals mit Polizisten.

Ein 37-jähriger Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA), der Beate Zschäpe am 13. November 2011 von Frauengefängnis Chemnitz zum Haftrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe gebracht hatte, erzählte als Zeuge, dass die Angeklagte ihm unter anderem erzählt habe, dass mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt abgesprochen gewesen sei, ihre Eltern zu informieren, "wenn diese nicht nach Hause kommen". Denn genau das hatte Zschäpe nach dem Tod der beiden getan.

"Sie haben schon damit gerechnet, dass sie auffallen werden. Ich habe es damals so verstanden, dass sie als Gruppe irgendwann auffallen werden", erzählte der Zeuge weiter aus dem Gespräch. Zschäpe soll auch geäußert haben, dass sie jetzt ruhiger schlafe, nachdem sie sich gestellt habe. Der Beamte erklärte mehrfach, dass die Angeklagte damals auch betont habe sich nicht gestellt zu haben, um nicht auszusagen. Daraus hatte der Zeuge schlossen, dass Zschäpe irgendwann aussagen werde, was sie bis heute allerdings nicht getan hat.

Katzenliebhaberin Zschäpe

Beide Zeugen des Tages schilderten die Terrorangeklagte als eine Katzenliebhaberin. Sie habe noch vor dem Brand in Zwickau ihre Katzen einer Nachbarin übergeben. Das notierten zwei Kriminalisten in Zwickau einen Tag nach einer Unterhaltung mit Beate Zschäpe. Die Aktennotiz fand den Weg in die Ermittlungsunterlagen und nun in den Gerichtssaal. Die wegen Beteiligung an den zehn NSU-Morden Angeklagte, soll auch sinngemäß erzählt haben, dass sie von Böhnhardt und Mundlos zu nichts gezwungen wurde.

Die beiden Ermittler aus Sachsen und Baden-Württemberg führten das Gespräch mit Beate Zschäpe am Abend des Tages, an dem sie sich in Jena der Polizei gestellt hatte. Das war Dienstag, der 8. November 2011. Bis dahin wurde Zschäpe bundesweit von der Polizei gesucht. Sie stand im Verdacht, am Freitag zuvor im sächsischen Zwickau den NSU-Unterschlupf in der Frühlingsstraße 26 in Brand gesetzt zu haben. Und genau deshalb erregt die Aktennotiz mit der Bemerkung zu ihren Katzen vor Gericht nun solches Interesse.

Sollte sie wirklich während der Plauderei mit den beiden Kriminalbeamten beim Essen und Rauchen im Dienstzimmer des einen so etwas gesagt haben? Einer der Anwälte der Nebenkläger wollte es genau wissen: "Sind sie sich sicher", fragte er den Zeugen Andrè P. Der 47-jährige Kriminalist hatte gemeinsam mit einer Kollegin den Aktenvermerk über das Gespräch mit der Angeklagten gefertigt.

Der Nebenkläger wollte wissen, ob Zschäpe wirklich erzählt hat, die Katzen noch vor dem Brand einer Nachbarin übergeben zu haben. Denn wenn es so gewesen war, hätte sie ja von dem Brand gewusst, bevor er ausgebrochen ist.

Der Zeuge konnte sich im Gerichtssaal nicht mehr genau erinnern. Betonte aber, dass seine Aufzeichnungen stimmen würden. Zschäpe soll sich in dem damaligen Gespräch mehrfach nach dem Befinden ihrer Katzen erkundigt haben.

Brisante Notizen

Seinen Satz, sich nicht erinnern zu können, wiederholte der Zeuge im Verlauf der fünfeinhalbstündigen Befragung vor Gericht immer öfter. Er beharrte aber auch darauf,  dass sein Aktenvermerk stimme. Die Notiz zu dem Gespräch enthalten weitere brisante Sätze, die Zschäpe gesagt haben soll und die ihr in dem Strafprozess gefährlich werden könnten.

Die beiden Polizisten wollen sie zu Beginn des Gesprächs auch gefragt haben, ob es noch weitere Straftaten oder Brandstiftungen gebe. Darauf soll die Verhaftete mit "nein" geantwortet haben. Stimmt dieser Dialog, könnte das Gericht die Aussage als Eingeständnis werten, dass sie doch einiges mehr über die Taten der NSU wusste, als bisher bereit ist anzugeben.

Einblick in Zschäpes Seelenleben

Offenbar gewährte Zschäpe den beiden Beamten auch einen kleinen Einblick in ihr Seelenleben. Sie sei ein "Omakind" und verstehe sich nicht so gut mit ihrer Mutter, notierten die Ermittler. Zschäpe soll ihnen auch erzählt haben, dass sie es bedauere, nicht noch einmal ihre Oma getroffen zu haben, bevor sie sich der Polizei gestellt hatte.

Glaubt man der Aktennotiz, dann sprach Zschäpe von den "beiden Uwes". Die "beiden Uwes" seien ihre Familie gewesen. Sie sprach davon, dass die Uwes im Gegensatz zu ihr ein behütetes Elternhaus gehabt hatten. Daher sei ihr unklar, warum sie sich so entwickelt haben. Das jedenfalls ist die Erinnerung des Zeugen.

Nach einer guten halben Stunde der Befragung forderte Zschäpes Verteidiger, den Zeugen doch genau zu befragen, woran er sich heute noch erinnert und was nur seiner Aktennotiz entspricht. Die Verteidigung der Hauptangeklagten erkundigte sich ausführlich, in welchem Zustand Zschäpe während des damaligen Gesprächs gewesen sei. Mehrfach frage der Verteidiger nach, warum der Zeuge das Gespräch mit seiner Mandantin damals geführt habe, obwohl diese keine Angaben machen wollte.

Der 47-jährige Zeuge betonte, dass Gespräch ohne Ziel geführt zu haben. Zschäpes Verteidigung ließ keinen Zweifel aufkommen, dass sie das Agieren der Ermittler für unzulässig hält, weil ihre Mandantin womöglich mehrere Tage nicht geschlafen habe. Ihr Anwalt beantragte, die Aktennotiz und die Aussagen des Zeugen zu dem Gespräch mit seiner Mandantin nicht in dem Verfahren zu verwenden. Die Begründung: Zschäpe sei damals nicht in der Lage gewesen, die Gesprächssituation richtig einzuschätzen. Als Grund nannte er den Zustand der Angeklagten, weil sie übermüdet gewesen sei.

Puzzle-Teil stützt Anklage

Bundesanwalt Herbert Diemer wertete die Aussagen der Zeugen trotzdem als ein Puzzle-Teil, welches die Anklage stützt. Am nächsten, insgesamt 18. Verhandlungstag am Mittwoch wird die Befragung des BKA-Beamten fortgesetzt. (Kai Mudra, derStandard.at, 3.7.2013)